Seite 85 - personalmagazin_2014_05

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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
wissen inzwischen, dass man länger
arbeiten muss – doch genau diese Fort-
schritte werden jetzt wieder in die ande-
re Richtung gedreht. Das ist ein Kardinal-
fehler in Zeiten des Fachkräftemangels.
personalmagazin:
Was kann HR noch tun?
Zander:
Individuelle Ratschläge sind
schwierig. Das politische Handeln richtet
sich völlig gegen das, was angesichts des
demografischen Wandels eigentlich nötig
wäre. Im Kern wird es heißen, sich jetzt
schon auf die dramatische Entwicklung
2020 einzustellen und auch zu schauen,
wie insbesondere Facharbeiter gewon-
nen werden können. Mein Tipp wäre,
sehr intensiv über eine Ausweitung des
Engagements in der dualen Ausbildung,
aber auch in anderen Ausbildungsbe-
reichen nachzudenken. Auch die mitt-
lere Führungsebene, Techniker und
Meister sollten nicht vergessen werden.
personalmagazin:
Das Gesetz soll im Juli
verabschiedet sein – was wünschen Sie
sich für die laufende Anhörung?
Zander:
Wir wünschen uns, dass die Plä-
ne grundsätzlich überdacht werden, sie
kommen zur falschen Zeit und haben
die falschen Inhalte. Ihre Umsetzung
birgt auch sozialpolitisch ein Riesenpro-
blem. Mit den zu erwartenden Kosten
von 230 Millionen Euro würde fast der
gesamte finanzpolitische Spielraum der
Legislatur aufgebraucht. Für wichtige
andere Projekte, wie beispielsweise die
Stärkung der bAV, wird dann kein Geld
mehr da sein.
„Falsche Zeit, falsche Inhalte“
INTERVIEW.
In der Metall- und Elektroindustrie könnten 200.000 Arbeitnehmer die
Pläne zur vorzeitigen Rente nutzen. Oliver Zander befürchtet fatale Folgen.
personalmagazin:
Was kommt durch die
Rentenpläne auf die Unternehmen zu?
Oliver Zander:
Die Rentenpläne sind noch
nicht komplett abgestimmt. Im Kern,
das muss man konstatieren, wird die Re-
gierung von der Rente mit 63 nicht frei-
willig ablassen. Streit herrscht nur noch
um die Frage, wie die Frühverrentungs-
problematik gelöst werden kann. Hier
gibt es zum einen den Vorschlag eines
Stichtags vonseiten der CDU: Arbeitslo-
senzeiten nach dem 1. Juli 2014 sollen
nicht mehr auf die 45 Beitragsjahre an-
gerechnet werden, die zum Bezug der
Rente mit 63 berechtigen. Demgegen-
über steht der Vorschlag der SPD, die
die Erstattungspflicht für Arbeitgeber
für Arbeitslosengeld an ältere Beschäf-
tigte und Sperrzeiten beim Arbeitslo-
sengeld wieder einführen möchte.
personalmagazin:
Mit welcher Zahl von
Frühverrentungen rechnen Sie denn?
Zander:
Wir schätzen, dass in der Metall-
und Elektroindustrie nach dem derzei-
tigen Modell circa 45.000 Mitarbeiter die
Regelung sofort nutzen könnten. In den
nächsten zehn Jahren könnten insgesamt
200.000 Mitarbeiter früher in Rente ge-
hen. Bedenkt man, dass wir gleichzeitig
aufgrund des demografischen Wandels
genau zu diesem Zeitpunkt einen ma-
nifesten Rückgang im Erwerbspotenzial
in Deutschland haben werden, wird sich
hier eine enorme Lücke bei den Fach-
kräften weiter vergrößern.
personalmagazin:
Nun wird oft eingewandt,
dass die Regelung nur befristet ist und
nur bestimmte Jahrgänge betrifft …
Zander:
Das macht die Sache ja nicht rich-
tiger. Und das Prinzip „Rente abschlags-
frei mit 63“ werden Sie, wenn es erst
einmal installiert ist, aus der politischen
Debatte kaum mehr herausbekommen.
personalmagazin:
Ab 2020 werden wir also
ein personalpolitisches Problem haben?
Zander:
Durch die Gesetzgebung ist man-
cher Plan, den Personalabteilungen zur
Einstellung auf den demografischen
Wandel schon hatten, zunichte gemacht.
Es gab in den deutschen Unternehmen
bereits sehr gute Entwicklungen im Hin-
blick auf einen Mentalitätswandel: Wir
haben deutliche Zunahmen der über
Sechzigjährigen in den Betrieben, alle
Das Interview führte
Katharina Schmitt.
oliver zander
ist Hauptgeschäftsführer
des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Er
befürchtet personalpolitische wie sozialpoli-
tische Probleme durch die Rente mit 63.