Seite 70 - personalmagazin_2014_10

Basic HTML-Version

personalmagazin 10 / 14
70
RECHT
_URTEILSDIENST
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Arbeitsgericht urteilt auch bei Privatfehde mit dem Chef
Auch vermeintlich rein private Streitig-
keiten, die aus übler Nachrede, Verleum-
dung und ähnlichen Gründen resultie-
ren, sind dann vor den Arbeitsgerichten
zu klären, wenn diese Sachverhalte
verklagt hatte. Zwar sei dieser nicht der
Arbeitgeber im rechtlichen Sinne, müs-
se aber so behandelt werden, als wenn
er es wäre. Die Begründung dazu liefert
eine sogenannte Analogie.
im Betrieb aufgetreten sind. Das LAG
Baden-Württemberg hat dies auch in
einem Fall bejaht, in dem der Arbeit-
nehmer den Geschäftsführer seiner
Arbeitgeberin, einer GmbH, persönlich
BESCHLUSS DES MONATS
Der Rechtswegbeschluss zeigt, dass die Zuständigkeit der Arbeits-
gerichte über arbeitsrechtliche Fragen weit hinausgehen kann.
Zwar ist der Fall einer Klage aus unerlaubter Handlung gegen den
Geschäftsführer einer GmbH nicht direkt von den Zuständigkeitsre-
geln des Arbeitsgerichtsgesetzes erfasst. Formal folgerichtig wollte
der Geschäftsführer den Streit daher vor dem Amtsgericht verhandelt
haben. Die Richter des LAG vertraten jedoch die Ansicht, dass ein sol-
cher Fall genauso zu behandeln sei, wie er bei einem „persönlichen“
Arbeitgeber gesetzlich geregelt ist. Rechtstechnisch begründete dies
das LAG wie folgt: „Es liegt eine ausfüllungsbedürftige und -fähige
Lücke im Gesetz vor. Ist der vom Arbeitnehmer verklagte Arbeitgeber
eine natürliche Person oder persönlich haftender Gesellschafter einer
Handelsgesellschaft, so ist der Weg zu den Arbeitsgerichten schon
nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG eröffnet
(BAG, Urteil vom 14. November 1979, Az. 4 AZR 3/78). Ebenso ist der
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, wenn ein Arbeitnehmer
von einem anderen Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG aus
unerlaubter Handlung vor den Gerichten für Arbeitssachen verklagt
wird. Daher wäre es mit dem System des § 2 Abs. 1 ArbGG nicht
vereinbar, wenn eine als Organ für eine juristische Person handelnde
natürliche Person nicht vor den Gerichten für Arbeitssachen verklagt
FREISTELLUNG
ZUSAMMENFASSUNG
Ein im Geltungsbereich des TVöD nicht gesetz-
lich krankenversicherter Beschäftigter hat Anspruch, bis zu vier Ar-
beitstage unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freigestellt
zu werden, wenn ein Kind unter zwölf Jahren schwer erkrankt.
RELEVANZ
Das Urteil zeigt, dass die Frage der Entgeltfortzahlung bei
Fehlzeiten wegen Betreuung eines erkrankten Kindes zu unter-
schiedlichen Ergebnissen zwischen Mitarbeitern, die in der gesetz-
lichen Krankenversicherung versichert oder versicherungsfrei sind,
führen kann. Bei Ersteren hilft dem Arbeitgeber häufig ein tarif- oder
einzelvertraglicher Ausschluss, der sodann zu einem nachgelagerten
Anspruch auf das sogenannte „Kinderkrankengeld“ führt. Diese Klau-
seln greifen bei versicherungsfreien Mitarbeitern häufig nicht.
GESCHÄFTSSCHÄDIGUNG
ZUSAMMENFASSUNG
Auch im Zusammenhang mit einer geplanten
Betriebsratswahl darf ein Arbeitnehmer nicht wissentlich falsche,
geschäftsschädigende Behauptungen über die betrieblichen Verhält-
nisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten
lassen. Sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten ist
jedoch erlaubt.
RELEVANZ
Das Urteil ist ein Beispiel dafür, was das BAG noch als
„sachliche Kritik“ akzeptiert. Im vorliegenden Fall hatte der Mit-
arbeiter in einer Videoaufzeichnung (Youtube) erklärt, es gebe im
Betrieb „Probleme“. An einzelnen Maschinen fehlten Sicherheits-
vorkehrungen und man könne „fast behaupten“, keine Maschine sei
„zu 100 Prozent ausgerüstet“.
werden dürfte, wenn der Arbeitnehmer gegen sie einen bürgerlichen
Streit aus unerlaubter Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buch-
stabe d ArbGG führt. Diese Lücke ist durch entsprechende Anwendung
des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe d ArbGG zu schließen.“
Wenn zwei sich streiten, kann der Arbeitsrichter zuständig sein.
Quelle
LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.7.2014,
Az. 13 Ta 20/14
Quelle
BAG, Urteil vom 31.7.2014, Az. 2 AZR 505/13
Quelle
BAG, Urteil vom 5.8.2014, Az. 9 AZR 878/12