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personalmagazin 01 / 14
Recht
_Betriebsübergang
A
n welche arbeitsrechtlichen
Vorgaben muss sich ein Ar-
beitgeber bezüglich übernom-
mener Mitarbeiter halten? Zu
unterscheiden ist dabei zwischen den
individualrechtlichen Arbeitsbedingun-
gen, die beim abgebenden Arbeitgeber
bestanden, und eventuellen Rechten
aus Tarifverträgen und Betriebsverein-
barungen. Was zunächst einfach klingt,
ist rechtsdogmatisch allerdings höchst
kompliziert, denn der § 613a BGB ist
zunächst nur dem Individualrecht zu-
zuordnen, sodass es ausgeschlossen
ist, den übernehmenden Arbeitgeber in
die Pflicht zu nehmen, in Tarifverträge
Von
Thomas Muschiol
(Red.)
einzutreten oder Betriebsvereinbarun-
gen fortgelten zu lassen. Gelöst hat der
Gesetzgeber diesen Widerspruch mit
einem Kunstgriff, den die Rechtstheore-
tiker etwa wie folgt umschreiben: „Das
Kollektivrecht wird in Individualrecht
transformiert.“
Das wird in den Rucksack eingepackt
Erklärt werden kann dies am besten
mit der Rucksacktheorie. Bei einem
Betriebsübergang wird in einem ersten
Schritt für jeden betroffenen Arbeitneh-
mer ein Rucksack mit allen Rechtsvor-
schriften bepackt, die zwischen ihm und
dem abgebenden Arbeitgeber im Wege
der individualrechtlichen Vereinbarung
Geltung haben. Dazu kann auch ein Ta-
rifvertrag gehören, sofern er durch eine
Bezugnahmeklausel zum Gegenstand der
Individualabrede geworden ist. Gerade
bei dynamischen Klauseln ist nun aber
Vorsicht geboten (siehe Interview auf der
nächsten Seite). In einem zweiten Schritt
werden die kollektiven Vereinbarungen
hinzugepackt, also Betriebsvereinba-
rungen oder Tarifverträge, soweit diese
durch direkte Tarifbindung bestehen.
Das kommt beim Auspacken heraus
Wenn dieser Rucksack beim überneh-
menden Arbeitgeber wieder ausgepackt
wird, kommt es zu einem überraschen-
den Ergebnis. Jetzt befinden sich darin
plötzlichnichtmehrTarifverträgeundBe-
triebsvereinbarungen. Vielmehr haben
diese auf dem Weg zum übernehmen-
den Arbeitnehmer in einer „juristischen
Sekunde“ ihren kollektivrechtlichen
Charakter verloren und sich in Indivi-
dualansprüche umgewandelt. Sie sind
also „transformiert“ worden.
Für den übernehmenden Arbeitgeber
ist jedoch nicht nur die Frage interes-
sant, welche Regelungen er beim Aus-
packen vorgefunden hat. Vielmehr muss
er auch wissen, mit welchen Inhalten der
Rucksack bepackt wurde. Will er näm-
lich nach Übernahme eines Arbeitneh-
mers einseitig die Arbeitsbedingungen,
etwa durch eine Änderungskündigung,
verändern, so kommt es darauf an: Greift
er in originäre individuelle Ansprüche
ein, so kann er dies grundsätzlich sofort
tun. Will er aber Arbeitsbedingungen
ändern, die erst im Rucksack „transfor-
miert“ wurden, besteht eine einjährige
Veränderungssperre.
Rucksackrecht beim Übergang
AUSLEGUNG.
Welche Vereinbarungen gelten nach einem Betriebsübergang weiter?
Mit der Rucksacktheorie wird das komplizierte Recht verständlich gemacht.
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in
die Rechte und Pflichten ein. So ist es in § 613a BGB definiert. Die Norm enthält zu-
dem Regelungen dazu, was mit bestehenden kollektiven Vereinbarungen geschieht.
„Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch
eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwi-
schen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines
Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert
werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber
durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsver-
einbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und
Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht
mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich ei-
nes anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem
Arbeitnehmer vereinbart wird.“
Der Grundtatbestand des § 613a BGB
Praxisbeispiel
Recht grund age