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Titel
_
HR-Wissen
N
utzen Personalpraktiker Ergeb-
nisse der Personalforschung?
Diese Frage war Ausgangs-
punkt für die Studie einer
Arbeitsgruppe innerhalb der Deutschen
Gesellschaft für Personalführung (DGFP).
Das Ergebnis: Forschungsergebnisse
spielen eine untergeordnete Rolle in der
personalwirtschaftlichen Entscheidungs-
findung. Personalmanager verlassen sich
vorwiegend auf ihre Berufserfahrung.
Das Studiendesign
Kern der Untersuchung, die in ähnlicher
Form auch in anderen Ländern bereits
durchgeführt wurde, war ein Set von 19
Statements zu personalwirtschaftlichen
Fragestellungen (siehe Abbildung auf
Seite 16). Beispielsweise wurde gefragt,
ob geschlechtergemischte Teams bes-
sere Leistungen zeigen als homogene
Teams und ob Intelligenztests geeigne-
te Instrumente in der Personalauswahl
sind. Bei der Auswahl der Statements
wurde einerseits darauf geachtet, dass
die Themen praktisch relevant sind.
Andererseits sollte eine möglichst ein-
deutige Antwort auf Basis der vorlie-
genden wissenschaftlichen Ergebnisse
möglich sein, das heißt, ein „State of
the Art“ sollte – bei aller Heterogeni-
tät und Vielfalt der Einzelstudien und
Lehrmeinungen – formulierbar sein.
Dies erfolgte meist auf der Basis von
Metaanalysen, das heißt der systemati-
schen quantitativen Zusammenfassung
der vorhandenen Einzelergebnisse zu
Von
Sascha Armutat, Torsten Biemann
und
Heiko Weckmüller
einer Fragestellung. Es handelt sich so-
mit um übergreifende durchschnittliche
Ergebnisse und nicht etwa um konkrete
Handlungsempfehlungen für einzelne
Unternehmen. Im ersten Beispiel wurde
als Forschungsstand eine Metaanalyse
von Suzanne T. Bell und Kollegen heran-
gezogen, die einen schwach negativen
Zusammenhang zwischen Geschlech-
terdiversität und Teamerfolg ausweist.
Im zweiten Beispiel zeigt die empirische
Personalforschung, dass Intelligenztests
eine sehr gute Vorhersagekraft für spä-
teren Berufserfolg liefern können.
Forschungs-Praxis-Gap
Die insgesamt 189 teilnehmenden Per-
sonalmanager wurden um ihre Einschät-
zung gebeten, ob sie diese Statements
für richtig oder falsch halten; zusätzlich
stand eine „Weiß nicht“-Kategorie zur
Verfügung. Die Ergebnisse, die in einem
Praxispapier veröffentlicht wurden, zei-
gen eine übergreifend geringe Überein-
stimmung zwischen Praktikereinschät-
zungen und Forschungsstand auf. Die
Übereinstimmung hing dabei stark von
der spezifischen Frage ab (siehe Tabelle
auf Seite 16).
Ergänzend wurde bei einzelnen State-
ments abgefragt, auf welcher Informati-
onsbasis die jeweiligen Einschätzungen
getroffen wurden. Es zeigte sich, dass die
Bewertung hauptsächlich unter Rück-
griff auf Berufserfahrung erfolgte, und
zwar weitgehend unabhängig von der
konkreten Fragestellung. Berufserfah-
rung wurde durchgängig vonmehr als 80
Prozent der Befragten als Informations-
basis für die Einschätzung angegeben.
Hochschulen und die eigene Hochschul-
ausbildung wurden hingegen abhängig
von der konkreten Frage nur von elf bis
24 Prozent der Befragten herangezogen
(Mehrfachnennungen möglich).
Erfahrung und Forschung kombinieren
Der dominante Rückgriff auf Berufser-
fahrung ist zunächst nicht überraschend
und in vielen Entscheidungssituationen
des HR-Alltags die einzig mögliche Op-
tion. Allerdings birgt dies Gefahren,
wenn es sich um komplexe und strate-
gische Entscheidungen handelt. Ein Bei-
spiel zu Werthaltungen der Generation
Y mag dies verdeutlichen: Unter der Ge-
neration Y versteht man die nach circa
1980 Geborenen, denen häufig grund-
sätzlich andere arbeitsbezogene Ein-
stellungen zugeschrieben werden als
der Vorgängergeneration. Bewertet man
Generationeneffekte auf der Basis der
subjektiven eigenen Berufserfahrung,
läuft man Gefahr, Wahrnehmungs- und
Beurteilungsverzerrungen zu unterlie-
gen. Implizit vergleicht man dabei die
HR-Wissen unter der Lupe
Studie.
Forschungsergebnisse spielen für Personalmanager eine untergeordnete Rolle
bei der Entscheidungsfindung. Das birgt hohe Risiken für die strategische Arbeit.
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Der Rückgriff auf
Berufserfahrung ist
oft die einzig mögliche
Option. Dies birgt aber
die Gefahr von Wahr-
nehmungs- und Beurtei-
lungsverzerrungen.