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ORGANISATION
_FRAUENFÖRDERUNG
personalmagazin 12 / 14
D
ie Vereinbarkeit von Familie
und Beruf gehört zu den größ-
ten gesellschaftspolitischen
Herausforderungen und be-
stimmt in hohem Maße den wirtschaft-
lichen Erfolg jedes Unternehmens. Eine
ausgewogene Familienkultur ist laut
vieler Studien mittlerweile ein ent-
scheidendes Kriterium für Nachwuchs-
kräfte bei der Berufswahl. In manchen
Branchen scheint es eine besondere
Herausforderung zu sein, den Beruf
mit den Anforderungen in der Familie
zu vereinbaren – so zum Beispiel beim
Beruf des Rechtsanwalts bei Firmen,
die wissensintensive Dienstleistungen
für Kundenunternehmen erstellen, wie
etwa Wirtschaftskanzleien. Gerade bei
Anwälten in großen Kanzleien vermu-
tet man aufgrund der Komplexität der
Mandate eine Rund-um-die-Uhr-Verfüg-
barkeit, die sich unmöglich mit einem
Familienleben vereinbaren lässt. Dabei
ist es gerade für Anwaltskanzleien über-
lebensnotwendig, ausreichend Instru-
mente zur Vereinbarkeit von Beruf und
Privatleben bereitzustellen und gleich-
zeitig entsprechende mental-kulturelle
Rahmenbedingungen zu schaffen.
Bestehende Angebote zur
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Linklaters hat als eine der weltweit füh-
renden Kanzleien seit Jahren verschiede-
ne Initiativen und Angebote geschaffen,
um das Thema „Vereinbarkeit von Beruf
und Familie“ in den Mittelpunkt zu rü-
cken. Eine kanzleiweite Richtlinie regelt
Von
Julia Göbbels
und
Julia Roth
zum einen die Möglichkeit, in Teilzeit
zu arbeiten, darüber hinaus haben wir
ein
Personalentwicklungsprogramm,
welches sich speziell an Frauen in Füh-
rungspositionen richtet. Regelungen zu
Sabbaticals sind ebenfalls vorhanden.
Um Kinderbetreuungsplätze zu vermit-
teln, auf Wunsch sogar für Notfälle, ar-
beiten wir mit einem Familienservice
zusammen. Unser gesellschaftspoliti-
sches Engagement umfasst auch die
Unterstützung eines Netzwerks aktiver
berufstätiger Mütter, um nur einige der
Maßnahmen zu nennen.
„Maternity Coaching” als Unter-
stützung in der Übergangsphase
Was uns allerdings bei all diesen An-
geboten bisher fehlte, war eine profes-
sionelle, individuelle und nachhaltige
Unterstützung bei der Gestaltung der
Übergangsphase von Mutterschaft und
Beruf, in der oft sehr persönliche Fragen
zentral sind, wie zum Beispiel:
• Wie kommuniziere ich meine Abwe-
senheit gegenüber dem Mandanten und
dem Team?
• Wie bleibe ich in Kontakt und visibel,
wenn ich abwesend bin?
• Wie positioniere ich mich und meine
Karriereambitionen nach der Rückkehr?
• Wie kann ich beeinflussen, dass ich
nach meiner Rückkehr die gleiche Rolle
übernehmen kann wie vor meiner El-
ternzeit?
• Wie kann es gelingen, ein flexibles
Arbeitsmodell konkret umzusetzen und
mit Leben zu füllen?
Wir entschlossen uns daher, ein so-
genanntes „Maternity Coaching“ einzu-
führen, also werdende Mütter gezielt mit
Coaching bei der Planung ihres Wieder-
einstiegs zu begleiten, um die Lücke zwi-
schen den strukturellen Angeboten der
Kanzlei und den individuellen Bedürfnis-
sen der jeweiligen Anwältin zu schließen.
Ein wichtiger Treiber für die Einfüh-
rung von Maternity Coaching war die
Analyse der Frage, wie wir weibliche
Associates, also Rechtsanwältinnen, er-
folgreicher an die Kanzlei binden und
hierdurch langfristig die Anzahl der
weiblichen Partner in Deutschland erhö-
hen können. Dazu holten wir uns unter
anderem die Unterstützung der Univer-
sity of Nottingham Business School, die
weibliche Anwälte in London und Frank-
furt befragte, welche Faktoren entschei-
dend seien, um sie an Linklaters als
Arbeitgeber zu binden. Das Ergebnis:
• Für die meisten weiblichen Associates
ist entscheidend, dass sie perspektivisch
Beruf und Familie vereinbaren können.
• Sie fragen sich, ob Linklaters sie hier-
bei weiterhin unterstützt.
• Bevor sie in die entscheidende Phase
der Familienplanung gehen, verlassen
viele Frauen die Sozietät prophylaktisch
und wechseln häufig in die Industrie, da
sie dort eine bessere Vereinbarkeit von
Beruf und Familie sehen.
• Die Fluktuation der weiblichen Asso-
ciates mit zwei bis drei Jahren Kanzlei-
zugehörigkeit ist seit 2012 um 15 Pro-
zent gestiegen.
Auch die Mandanten profitieren
Ziel einer besseren Bindung weiblicher
Associates ist auch, unsere Mandanten
mit diversifizierten Beraterteams zu un-
Rückkehr erfolgreich gestalten
PRAXIS.
Die Kanzlei Linklaters unterstützt ihre Anwältinnen mit einem speziellen
Coaching in der Übergangsphase von Mutterschutz, Elternzeit und Wiedereinstieg.