Seite 47 - personalmagazin_2014_07

Basic HTML-Version

47
07 / 14 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
lässt. Strukturierte Interviews sollten
heute gängige Praxis sein. Darauf auf-
bauend hat sich der Einsatz von diag-
nostischen Verfahren und Einzelaudits
bewährt. Letzteres bietet beiden Seiten
– dem potenziellen neuen Mitarbeiter
und dem einstellenden Unternehmen
– die Möglichkeit, sich in einer relativ
wirklichkeitsnahen
Arbeitssituation
kennenzulernen.
Um eine noch bessere Passung zu ge-
währleisten, sollte das Einzelaudit indi-
viduell auf das Unternehmen und auf die
spezifische Position entwickelt werden.
Idealerweise enthält es verschiedene
Elemente wie Strategieaufgaben, situa-
tive Fallstudien aus dem tatsächlichen
operativen Geschäft des Unternehmens
und eventuell ein Rollenspiel zum The-
ma Führung.
Wichtig ist, dass neben dem po-
tenziellen Kandidaten und dem Ein-
stellungsverantwortlichen auch der
Unternehmer, weitere Familienmit-
glieder oder Vertreter des Beirats teilneh-
men. Vor den Vertragsverhandlungen ist
auch ein gemeinsames Abendessen mit
Lebens-partnern oder ein Tag im Grünen
nicht unüblich – vor allem wenn es um
Geschäftsführer oder Unternehmens-
nachfolger geht. Alles dient dem Zweck,
weitere persönliche Facetten auf beiden
Seiten kennenzulernen und Vertrauen
aufzubauen. Referenzen aus dem Markt
ergänzen das Profil des potenziellen
Fremdmanagers weiter.
Begleitete Einstiegsphase
Mit Vertragsabschluss ist HR noch
längst nicht aus der Verantwortung für
die erfolgreiche Rekrutierung entlass-
sen: Selbst wenn ein Kandidat die bes-
ten Voraussetzungen mitbringt, kommt
der Einstiegsphase in das neue berufli-
che Umfeld eine wesentliche Bedeutung
zu. Die ersten Arbeitstage beginnen und
es kann anfangen zu knirschen. Oft sind
es nicht die großen Themen, die infrage
gestellt werden, sondern die berühmten
Kleinigkeiten, wie „der Neue läuft nie
oder zu wenig durch die Produktion“,
„bei Meetings sitzt er immer oben am
Kopfende und bei Geschäftsessen be-
stellt der immer das teuerste Essen auf
der Karte“. Auf Nachfrage beim Unter-
nehmen, ob diese Punkte angesprochen
wurden, kommt meist ein „Nein“ und
„so jemand auf der Ebene muss das
doch wissen“. Um dem entgegenzuwir-
ken, ist ein auf mehrere Monate ange-
legter sogenannter Onboarding-Prozess
sinnvoll. Individuell konzipiert, nehmen
hier wieder alle Beteiligten in regelmä-
ßigen persönlichen und ganz wichtig,
moderierten Treffen teil. Danach sollte
der Dialog natürlich kontinuierlich wei-
tergehen und ein offener Austausch auf
beiden Seiten erfolgen und gelebt wer-
den.
Mithilfe von strukturierten und
professionell ausgeführten Rekrutie-
rungsprozessen für Fremdmanager in
Familienunternehmen lässt sich die
Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns
und des daraus entstehenden Schadens
für alle Seiten deutlich reduzieren. Und
ja, das berühmte Quäntchen Glück ge-
hört natürlich auch immer mit dazu.
Gabriela Jaecker
ist
Gründerin und Geschäfts-
führerin der Gabriela Jaecker
GmbH Personal- und Nachfol-
geberatung für Familienunternehmen.
Damit der Kandidat auch langfristig ins Familienunternehmen passt, sollte HR schon
bei Auswahl und Einführung die folgenden Regeln beachten.
• Systematische Auswahl: Erstellen Sie ein detailliertes Sollprofil und nutzen Sie diagnos-
tische Verfahren.
• Vorherige Karrierestationen prüfen: Fremdmanager haben größere Erfolgschancen,
wenn sie bereits in einem Familienunternehmen gearbeitet haben.
• Job-Hopper vermeiden: Prüfen Sie den Lebenslauf auf Kontinuität. Familienunternehmen
suchen Kandidaten, die sich langfristig an ein Unternehmen binden wollen (7 Jahre +).
• Selbstdarsteller unerwünscht: Familienunternehmen meiden in der Regel die öffentli-
che Bühne – dies sollten auch deren Führungskräfte beherzigen.
• Die Familie geht vor: Oft haben die Mitglieder der Eigentümerfamilie bei wichtigen
Entscheidungen großes Mitspracherecht oder gar das letzte Wort. Prüfen Sie, ob der Kan-
didat sich gegenüber dem Unternehmen und der Eigentümerfamilie zurücknehmen kann.
• Kommunikationsfähigkeit richtig einschätzen: Fremdmanager in Familienunternehmen
müssen auch unangenehme Sachverhalte diplomatisch ansprechen können.
• Sparsamkeit: Wie geht der Kandidat mit knappen Ressourcen des Familienunterneh-
mens um? Nur wer Maß hält, kann nachhaltig erfolgreich sein. (Diese und weitere
Eigenschaften können mithilfe von Rollenspielen analysiert werden.)
• Wertesysteme prüfen: Fragen Sie gezielt nach den Zielen, Werten persönlichen
Zukunftsvorstellungen des Kandidaten – diese sollten zum gelebten Wertesystem der
Eigentümerfamilie und der Unternehmenskultur passen.
• Turnusmäßiger Austausch: Führen Sie regelmäßige Besprechungstermine zwischen
dem Fremdmanager und dem Inhaber ein. Die frühe Ansprache von Problemen ver-
meidet Konflikte.
• Beratererfahrung nutzen: Arbeiten Sie nur mit Personalberatungen zusammen, die
das komplizierte Zusammenspiel von Kandidat, Unternehmern und Eigentümerfamilie
verstehen und einschätzen können – für langfristige Lösungen.
Regeln zur erfolgreichen Rekrutierung
Checkliste