Seite 44 - personalmagazin_2014_07

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Organisation
_Gesundheitsmanagement
personalmagazin 07 / 14
P
räventionsprogramme müssten
einer nachhaltigen Gesundheits­
vorsorge dienen und dürften
nicht als Marketinginstrumente
der Krankenkassen missbraucht wer­
den. Außerdemmüsse die Zukunft mehr
darin liegen, „Prävention zu einem Ins­
trument intelligenter und differenzierter
Gesundheitsvorsorge zu machen“ – mit
dieser Forderung betonte die Bundesärz­
tekammer auf ihrem jüngsten Ärztetag
den momentan noch geringen und nicht
ausreichend belegten Nutzen, den Un­
ternehmen durch vereinzelte und häufig
unwirksame Maßnahmen für die Mitar­
beitergesundheit erzielen.
Die Eigenverantwortung und Ge­
sundheitskompetenz von Mitarbeitern
können auch aus unserer Erfahrung
effektiver und nachhaltiger gestärkt
werden, als derzeit angenommen und
praktiziert wird. Evaluierte Konzepte
hierfür gibt es. Nur sind sie einerseits
kaum bekannt, zum anderen trauen sich
viele Unternehmen an dieses anspruchs­
volle Thema nicht heran. Gesundheits­
Von
Dirk Lümkemann
und ­
Melanie Linnenschmidt
verhalten wird meist als Privatsache
deklariert, die Bedeutung von verhal­
tensbedingten Gesundheitsrisiken un­
terschätzt. Wahrscheinlich auch aus
diesem Grund wird Präsentismus in der
deutschen Literatur meist unvollständig
beschrieben.
Produktivitätskiller Präsentismus
Unter Präsentismus wird hierzulande
vor allem der Verlust an Produktivität
verstanden, der durch das Verhalten von
Mitarbeitern, trotz Krankheit zur Arbeit
zu kommen, entsteht. Auch wird die Be­
einträchtigung der Leistungsfähigkeit
durch chronische Erkrankungen teilwei­
se mit einbezogen. Ausgeklammert und
nach wie vor unterschätzt werden aber
die Potenziale, die durch die Verringe­
rung verhaltensbedingter Gesundheits­
risiken bei den anwesenden Mitarbei­
tern erschlossen werden könnten. Zu
den Produktivitätskillern gehören unter
anderem Bewegungsmangel, Fehlernäh­
rung, mangelndes Stressmanagement
sowie Rauchen und Übergewicht, die
zu weiteren gesundheitlichen Risikofak­
toren wie Diabetes, Bluthochdruck und
schlechten Cholesterinwerten führen.
Verantwortung für Gesundheit
Handlungsanleitung.
Durch Vorbild und authentische Gesundheitsdialoge können
Führungskräfte die Eigenverantwortung aller Mitarbeiter stärken.
Größte Herausforderung für Führungskräfte im BGM
ist, die Mitarbeiter bei der Wahrnehmung ihrer Eigen­
verantwortung zu unterstützen und sie zur selbstbe­
stimmten Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.
Umfassende Studien aus Amerika wei­
sen einen Produktivitätsverlust von 2,4
Prozent pro vorhandenem Risikofaktor
nach – umgekehrt konnten Interventi­
onsstudien zeigen, dass die Produktivi­
tät von Mitarbeitern steigt, wenn verhal­
tensbedingte Gesundheitsrisiken durch
entsprechende Verhaltensänderungen
gesenkt werden. Die wissenschaftliche
Untersuchung eines Projekts, das wir
als Padoc – Health and Productivity Ma­
nagement bei der KKH-Allianz durch­
führten, ergab einen durchschnittlichen
Produktivitätszuwachs von 2,6 Prozent
pro Mitarbeiter und bestätigt damit die
Ergebnisse der amerikanischen Studien.
In Bezug auf die 166 Studienteilnehmer
und einen Projektzeitraum von zehn
Monaten bedeutete dies 198.000 Euro
mehr Produktivität, was einer jährlichen
Produktivitätssteigerung von 1.700 Euro
pro Person entspricht.
Verhaltensbedingte Risiken
Die Bedeutung des individuellen Ge­
sundheitsverhaltens für die Wettbe­
werbsfähigkeit eines Unternehmens ist
deshalb so brisant, weil verhaltensbe­
dingte Gesundheitsrisiken nicht nur in
einem hohen Maß Produktivitätsverluste
verursachen, sondern gleichzeitig auch
sehr häufig vorkommen. Erschreckend
ist zudem die Tatsache, dass sich viele
Menschen ihres persönlichen Gesund­
heitsrisikos gar nicht bewusst sind. Eine
Auswertung von 10.000 Managerunter­
suchungen hat gezeigt, dass 75 Prozent
der Führungskräfte mit diagnostiziertem
Bluthochdruck davon nichts wussten.
Die Auswirkungen des mangelnden ei­