Seite 22 - personalmagazin_2014_07

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Titel
_Macht
personalmagazin 07 / 14
V
ermutlich würde niemand be-
streiten, dass Führung und
Macht eng zusammen gehören,
doch es gibt kaum Forschung,
die diesen Zusammenhang explizit be-
handelt. Schaut man jedoch genauer hin,
dann tauchen Machtaspekte unter ande-
rem Namen auf, etwa wenn von koope-
rativer oder partizipativer Führung, von
„Empowerment“, von teilautonomen oder
selbststeuernden Gruppen, von „Shared
Leadership“ oder lateraler Führung die
Rede ist. Diese Vermeidung des The-
mas „Macht“ reicht unter dem Stichwort
„Einfluss“ bis in die Definitionen von
Führung, sodass manchmal keine klare
begriffliche Trennung und inhaltliche
Thematisierung ihrer Verhältnisse mög-
lich ist. Daher sind einige definitorische
Klärungen notwendig für eine angemes-
sene Betrachtung unseres Themas.
Macht ist ein Potenzial
Nach der Machtdefinition des Soziologen
Max Weber ist klar, dass Macht ein Po-
tenzial ist, das die Willensdurchsetzung
erleichtert, trotz Widerstreben bezie-
hungsweise im Einvernehmen, wenn das
erreicht wird. Diese beiden Möglichkei-
ten ergeben jedoch fundamentale Un-
terschiede in Bedingungen, Reaktionen
und Konsequenzen des Verhaltens, wenn
man sich klar macht, dass damit Gegen-
sätze der Machtnutzung auf der wichtigs-
ten sozio-emotionalen Dimen­sion der Ge-
meinschaft angesprochen sind, die auch
ganz unterschiedliche Gefühle beinhal-
ten (siehe Grafik, Seite 23).
Von
Wolfgang Scholl
Die Anwendung von Macht gegen die
Interessen oder das Widerstreben ande-
rer wird als feindselig oder rücksichtslos
wahrgenommen, geschieht vorwiegend
aus Ärger, Verachtung oder Abscheu und
löst meist ebensolche Gefühle aus. Wir be-
zeichnen diese Form als Machtausübung,
die gefühlsmäßig negativ konnotiert ist,
während eine Nutzung von Machtpoten-
zialen in respektierender Weise als Ein-
flussnahme bezeichnet wird.
Mit dem Begriff „Macht“ wird meist
etwas Negatives verbunden, weil man
Machtausübung fürchtet. Jedoch kann oft
auch die positive Seite der Macht erfah-
ren werden, etwa wenn Kinder sorgende
und unterstützende Eltern haben. Die
gleichen Unterschiede der Machtnutzung
gibt es natürlich im Verhalten und Erle-
ben von Vorgesetzten und Mitarbeitern.
Macht muss nicht auf Zwang beruhen
Das Machtpotenzial kann auf unter-
schiedlichen Grundlagen beruhen. In
Erweiterung des Systems von John
French und Bertram Raven kann man
Zwang, Bestrafung, Legalität, Situati-
onskontrolle, Legitimität, Belohnung,
Attraktivität, Expertise und Information
unterscheiden, die hier in einer Rangfol-
ge geordnet sind von der restriktivsten
Grundlage Zwang bis zur spielraumer-
weiternden Information. Grundlagen
werden umso eher für Machtausübung
genutzt, je restriktiver sie sind; denn je
stärker das Widerstreben anderer ist,
umso stärker muss man sie scheinbar
zum Durchsetzen eigener Interessen
einschränken, wie ich in meinem Auf-
satz „Machtausübung oder Einflussnah-
me: Die zwei Gesichter der Machtnut-
zung“ im Buch „Macht in Unternehmen
– Der vergessene Faktor“ aufweise.
Die Ausübung von Macht ist nicht nur
wegen der Reaktionen der Betroffenen
wie aktiver Widerstand oder innere
Kündigung sowie verschlechterte Bezie-
hung relevant, sondern auch wegen der
Folgen bei den Arbeitsergebnissen und
den Machtausübenden selbst. Machtaus-
übung verringert den Wissenszuwachs,
die Prozesskoordination und das Ergeb-
nis, während Einflussnahme sie för-
dert durch gleichberechtigte intensive
Diskussion und konstruktive Konflikt-
handhabung. Das konnten wir sowohl
experimentell als auch bei Innovations-
prozessen im Feld nachweisen.
Allerdings tendieren Personen mit
überlegener Machtausstattung dazu,
diese Macht eher rücksichtslos gegen
die Interessen und das Widerstreben
der weniger Mächtigen einzusetzen. Da-
bei rechtfertigen sich die Mächtigeren
durch Abwertung der Betroffenen, dis­
tanzieren sich von ihnen und werten
sich selber auf, wie David Kipnis in „The
Powerholders“ und später auch John C.
Georgesen und Monica J. Harris zeigten.
Was ist „Führung“?
Aber was hat das alles mit Führung zu
tun? Dafür müssen wir den Begriff näher
betrachten: Die meisten Führungsdefini-
tionen sind unspezifisch. Anstelle einer
Übersicht über viele Definitionen seien
zwei führende Lehrbücher zitiert. Ste-
fan Schulz-Hardt und Felix C. Brodbeck
schrei­ben: „Bei Führung (in Organisati-
onen) geht es darum, ,andere zu beein-
Führen und (sich) führen lassen
FORSCHUNG.
In der Führung kommt Macht direkt zum Tragen. Doch oft wird sie nur
ausgeübt statt sie zur Einflussnahme einzusetzen – ein bedeutender Unterschied.