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Titel
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Macht
E
r heult sein Kampfgeschrei ins
Mikrofon und die Angestellten
jaulen in Ekstase mit – Jordan
Belfort, im Kinohit „The Wolf
of Wall Street“, gespielt von Leonardo
DiCaprio, wollte als junger Börsenmak-
ler vor allem Macht und Geld. Und er
erreicht beides. Belforts Machtstellung
bei „Stratton Oakmont“ ist schließlich
nahezu unbeschränkt, für die Mitarbei-
ter gilt es nunmehr, mit dem Wolf zu
heulen.
In wenigen Unternehmen geht es so
animalisch zu, wie in der Hollywoodpro-
duktion. Aber wie die Alltagserfahrung
aller Berufstätigen zeigt, wirken in jeder
Organisation unzählige formelle und
informelle Einflussversuche. Die Folge:
Die Fakten sprechen selten für sich,
vermeintliche Sachfragen werden zum
Spielball der unterschiedlichen Interes-
sen, kurz: Menschen setzen Macht ein,
um das für sie beste Ergebnis zu erzielen
– im Extremfall nach demMotto der ehe-
maligen UK-Premierministerin Margret
Thatcher: „Es stört mich nicht, was mei-
ne Minister sagen, solange sie tun, was
ich ihnen sage.“
Macht wird in der BWL ignoriert
Die Soziologie setzt sich naturgemäß
stark mit dem Begriff der Macht ausei-
nander – noch heute ist die Definition
von Macht aus der Feder des Soziolo-
gen Max Weber prägend: „Macht be-
deutet jede Chance, innerhalb einer
sozialen Beziehung den eigenen Willen
auch gegen Widerstreben durchzuset-
Von
Torsten Oltmanns
zen, gleichviel worauf diese Chance
beruht.“ Die Betriebswirtschaftslehre
(BWL) hingegen, sonst gegenüber je-
dem praktischen Problem der Unter-
nehmensführung bis auf die zehnte
Kommastelle aufgeschlossen, schweigt
dazu lautstark. Sie hat keinen eigenen
Begriff von Macht entwickelt. Obwohl
die Aufgabe der Wissenschaft in der Be-
schreibung und Erklärung aller betrieb-
lichen Erscheinungen und Probleme in
Unternehmen besteht, spielt dort der
Einfluss der Macht auf die Entscheidun-
gen und das Funktionieren von Organi-
sationen keine Rolle. Die „Machtlosig-
keit der Wirtschaftstheorie“, nennt die
Wissenschaftlerin Helga Duda das.
Diese Machtlosigkeit erklärt sich vor
allem aus den heute gültigen Paradig-
men der ökonomischen Lehre. Macht
ist dabei ein Störfaktor, er verzerrt die
Ergebnisse von Tauschhandlungen
zweckrational entscheidender, infor-
mierter Marktteilnehmer. Für diese
Tauschhandlungen ist Macht nicht nur
nicht notwendig, ihr Einsatz würde die
optimalen Lösungen gefährden. Martin
Held, Gisela Kubon-Gilke und Richard
Sturn schreiben dazu in „Macht in der
Ökonomie“: „Es gibt gute Argumente
für die Ausblendung von Macht, gera-
de wenn man die Betrachtung auf die
Entwicklung der modernen Preis- und
Allokationstheorie im allgemeinen
Gleichgewicht fokussiert.“
Personaler begegnen der Macht ­im
Arbeitsalltag
„Fang nicht an, Theorien zu bilden,
wenn Du die Fakten nicht kennst“, heißt
es bei Sherlock Holmes. Personaler
sind häufig mit den negativen Folgen
des Machtgebrauchs und Machtmiss-
brauchs direkt konfrontiert und erleben
die Lücke zwischen dem Anspruch der
Theorie und der Wirklichkeit in den
Unternehmen. Bleiben Machtgefälle im
Dunkeln, wird die Ausübung von Macht
verschleiert oder vermieden, schadet
das der Motivation, der Führung und
dem ganzen Unternehmen. Denn nur
wenn Konflikte offen ausgesprochen
werden, wenn Führung sich in der Dis-
kussion bewährt und Unternehmen sich
nach solchen Auseinandersetzungen
auf ein gemeinsames Ziel bewegen,
Wer ist hier der King?
ÜBERBLICK.
Der „Wolf of Wall Street“ zeigt, wie sich Macht in Unternehmen auswirken
kann. Personaler sollten dies mitbedenken – gerade im Change Management.
„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer
­sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen
Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf
diese Chance beruht.“
Max Weber, Soziologe