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RECHT
_ARBEITNEHMERÜBERLASSUNG
personalmagazin 11 / 14
Z
um1. Dezember 2011wurde das
Arbeitnehmerüberlassungs­
gesetz (AÜG) an zahlreichen
Stellen angepasst. Eine der
Änderungen betraf § 1 Abs. 1 Satz 2
AÜG: Eine Überlassung von Zeitarbeit­
nehmern sollte danach nur noch „vorü­
bergehend“ erfolgen. Mangels konkreter
Festlegungen imGesetz wird seitdem da­
rüber gestritten, wann ein Einsatz noch
vorübergehend ist. Weitere Fragen sind
zum Beispiel:
• Sind individualrechtliche Folgen an
einen Verstoß gegen die Vorschrift ge­
knüpft und falls ja, welche?
• Kann der Betriebsrat des Einsatzbe­
triebs der Überlassung eines Zeitar­
beitnehmers widersprechen, wenn
und soweit ein nicht mehr nur vorü­
bergehender Einsatz beabsichtigt ist?
Diese Probleme spalteten ganze Gerichte.
Zumindest teilweise hat das BAG diesem
Durcheinander inzwischen ein Ende ge­
setzt, zuletzt durch eine Entscheidung
vom Juni 2014. Auch die Regierung in
Berlin scheint nun einige offene Fragen
beantworten zu wollen.
Widerspruchsrecht des Betriebsrats
Bereits am 10. Juli 2013 stellte der 7.
Se­nat klar, dass der Betriebsrat des
Einsatzbetriebs seine Zustimmung zur
Überlassung von Zeitarbeitnehmern ver­
weigern kann, wenn diese dort nicht nur
vorübergehend beschäftigt werden sollen
(Az. 7 ABR 91/11). § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG
enthalte – so das BAG – nicht lediglich
einen unverbindlichen Programmsatz,
Von
Alexander Bissels
sondern untersage die nicht nur vorüber­
gehende Arbeitnehmerüberlassung. Die
Vorschrift diene zum einen dem Schutz
der Zeitarbeitnehmer. Zum andern solle
sie auch die dauerhafte Aufspaltung der
Belegschaft des Einsatzbetriebs in eine
Stammbelegschaft und eine überlassene
Belegschaft verhindern. Für die Praxis ist
damit zunächst die bislang heftig disku­
tierte Frage dahin gehend beantwortet,
dass grundsätzlich ein Zustimmungsver­
weigerungsrecht des Betriebsrats (§ 99
Abs. 2 Nr. BetrVG) bestehen kann, wenn
der Einsatzbetrieb das Gebot der vorüber­
gehenden Überlassung missachtet.
Was heißt „vorübergehend“ konkret?
Dennoch sind damit längst nicht sämt­
liche streitigen Aspekte in Zusammen­
hang mit § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG geklärt.
Das BAG konnte es in dem genannten
Fall offen lassen, wann ein Einsatz
noch vorü­ber­gehend ist. Eine genaue
Abgrenzung in Monaten oder Jahren
war nicht notwendig, da der Arbeitge­
ber beabsichtigte, die betreffende Zeit­
arbeitnehmerin ohne jegliche zeitliche
Begrenzung statt einer Stammkraft
einzusetzen. Jedenfalls das sei – so der
7. Senat – nicht mehr vorübergehend.
Ob bereits ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1
Satz 2 AÜG vorliegt, wenn die Überlas­
sung des Zeitarbeitnehmers auf einen
Dauerarbeitsplatz im Einsatzunterneh­
men erfolgt – wie dies etwa von einigen
Landesarbeitsgerichten vertreten wird
–, oder wann gegebenenfalls eine aus­
schließlich einsatzbezogen zu bestim­
mende zeitliche Grenze überschritten
wird (und welche das sein soll), ist nach
wie vor unklar. Es besteht daher weiter­
hin eine erhebliche Rechtsunsicherheit,
ob ein Zustimmungsverweigerungsrecht
des Betriebsrats im Einsatzbetrieb be­
steht, wenn eine Stammarbeitskraft
gerade nicht dauerhaft substituiert wer­
den soll. Für die Praxis heißt dies, dass
der Betriebsrat des Einsatzbetriebs die
Überlassung zumindest verhindern
kann, wenn dauerhaft dort vorhandene
Arbeitsplätze mit Zeitarbeitnehmern
besetzt werden sollen. Unbenommen
bleibt dem Kunden des Personaldienst­
leisters aber die Möglichkeit, den über­
lassenen Beschäftigten zunächst im
Rahmen einer vorläufigen personellen
Maßnahme gemäß § 100 BetrVG nach
einem Widerspruch einzusetzen. Ein
solches Vorgehen ist jedoch zeit- und
kos­tenintensiv. Zudem führt dies meist
nicht zu einem besseren Betriebsklima
zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Auf Grundlage der aktuellen Recht­
sprechung des BAG sollte das Kunden­
unternehmen daher den vorgesehenen
Einsatz zunächst zeitlich begrenzen;
wo die maximale Höchstdauer liegt, ist
unklar, allerdings ist wohl davon aus­
zugehen, dass – in Anlehnung an § 14
Vorübergehender Einsatz
AUSLEGUNG.
Das Merkmal „vorübergehend“ in der Zeitarbeit wirft viele Fragen auf,
die das BAG langsam abarbeitet. Dabei mischen auch die Groko und der EuGH mit.
Muster
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
zwischen Ver- und Entleiher (HI435668)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE