Seite 75 - personalmagazin_2013_06

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Recht
_Kolumne
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Liebe Personalexperten,
wenn vor dem
Arbeitsgericht zuweilen die spöttische
Bemerkung fällt, dass jetzt der „orien-
talische Teil der Verhandlung“ beginnt,
wird damit deutlich gemacht, dass bei
einer vergleichsweisen Beendigung des
Rechtsstreits nicht mehr die richter-
liche Beurteilung über den sogenann-
ten „Streitgegenstand“ maßgeblich ist,
sondern die Parteien alles, was sie für
notwendig halten, in einen Vergleich mit
einfließen lassen können.
Angesichts der Tatsache, dass mit den
meisten Streitigkeiten auch das Ende des
Arbeitsverhältnisses verbunden ist, ist
nur zu verständlich, dass die Beteiligten
gerne die „orientalische“ Möglichkeit
ergreifen, zur Verhinderung von Folge-
streitigkeiten reinen Tisch machen und
dabei auch Dinge klarstellen, die über
den ursprünglichen Streitgegenstand
weit hinausgehen. Oder anders ausge-
drückt: Man will auch Dinge regeln, die
eigentlich niemanden außer die Parteien
selbst etwas angehen.
Nicht immer aber erfüllt sich die-
ses Vorhaben, denn auch in den soge-
nannten „Güteverhandlungen“ gilt der
Grundsatz der Öffentlichkeit. So ist das
Erstaunen mancher Personalverantwort-
licher groß, wenn neben den erwarteten
Gesprächspartnern auch Dutzende von
interessierten Zuhörern, darunter auch
die örtliche Presse und zwei ehemalige
Mitarbeiter, die mittlerweile bei der Kon-
kurrenz beschäftigt sind, aufmerksam
den Dingen lauschen, die von den Par-
teien vertraulich ausgemacht werden.
Gänzlich skurril wird diese Situation,
wenn der Richter – meist auf Drängen
des Arbeitgebers oder dessen Anwalts –
noch einmal zum Diktiergerät greift und
den Schlusssatz diktiert: „Die Parteien
vereinbaren, dass über den Inhalt dieser
Vereinbarung gegenüber Dritten absolu-
tes Stillschweigen zu bewahren ist.“
KOLUMNE.
Gerichtliche Vergleiche mit Geheimhaltungs-
klauseln können zu skurrilen Erlebnissen führen.
Vorgespielt und
genehmigt
Kürzlich konnte ich einen Anwalt
erleben, der an dieser Stelle noch ei-
ne Vertragsstrafenklausel für den Fall,
dass gegen diese Schweigeklausel ver-
stoßen wird, einfügen wollte. Er wurde
erst stutzig, als von der gefüllten Zu-
schauertribühne interessiertes Gemur-
mel zu vernehmen war. Denn spätestens
an dieser Stelle wurden die bis dahin
eher gelangweilten Zuhörer hellhörig.
Wer die Vergleichsfindung verschlafen
hatte, bekam aber eine zweite Chance
– schließlich wird jeder Vergleich final
noch einmal, notfalls über Mikrofon, aus
dem Diktiergerät abgespielt und von den
Beteiligten mit den Worten „Vorgespielt
und genehmigt.“ abgenickt.
Was bedeutet dies für Ihre Praxis?
Denken Sie daran, dass nach § 278 Ab-
satz 6 Satz 1 ZPO ein gerichtlicher Ver-
gleich auch dadurch geschlossen werden
kann, dass die Parteien dem Gericht au-
ßerhalb der mündlichen Verhandlung
einen schriftlichen Vergleichsvorschlag
unterbreiten. Der Streit kann damit im
sogenannten „schriftlichen Verfahren“
elegant auch mit den zusätzlichen Eini-
gungspunkten abgeschlossen werden,
die Ihnen wichtig sind.
Alles Gute und bis zum nächsten Mal.
Thomas Muschiol
ist
Leiter des Ressorts Recht im
Personalmagazin.
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Jeder Vergleich wird
im gerichtssaal final
noch einmal aus dem
Diktiergerät abgespielt
und von den Beteiligten
mit den Worten „Vorgespielt
und genehmigt”
abgenickt.