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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Standespflichten zur umfassenden Ver-
schwiegenheit über sämtliche ihnen in
Ausübung ihres Berufs bekannt gewor-
denen Umstände verpflichtet. Schließ-
lich verbietet das Wertpapierhandelsge-
setz (§ 14 WpHG) solchen Personen, die
über Insiderinformationen zu Börsenge-
schäften verfügen, diese Informationen
einem anderen unbefugt mitzuteilen
oder zugänglich zu machen beziehungs-
weise auf der Grundlage dieser Infor-
mationen den Erwerb oder die Veräuße-
rung von Insiderpapieren zu empfehlen.
Allgemeine Treue- und Loyalitäts­pflicht
Aus § 241 Absatz 2 BGB folgt die Pflicht
des Arbeitnehmers zur Rücksichtnah-
me auf die Interessen des Arbeitgebers,
die im Einzelfall über die bloße Wah-
rung von Geschäfts- und Betriebsge-
heimnissen hinausgeht. Der Arbeitneh-
mer hat daher über alle Vorgänge und
Tatsachen zu schweigen, von denen er
im Zusammenhang mit seiner Stellung
im Betrieb erfahren und an deren Ge-
heimhaltung der Arbeitgeber ein be-
rechtigtes Interesse hat.
Information gegenüber Dritten, etwa
Aufsichtsbehörden oder der Staatsan-
waltschaft, ein Konflikt zwischen der Lo-
yalitäts- und Verschwiegenheitspflicht
einerseits und dem Recht auf freie Mei-
nungsäußerung andererseits. Da die
Zulässigkeit von „Whistleblowing“ in
Deutschland nicht umfassend gesetzlich
geregelt und auch die Einführung einer
solchen Regelung nicht absehbar ist, ist
auch in diesen Fällen die oben beschrie-
bene Abwägung vorzunehmen.
Der Europäische Gerichtshof für Men-
schenrechte hat unlängst entschieden
(EGMR, Urteil vom 21.7.2011, 28274/08,
NZA 2011, 1269), dass die Kündigung in-
folge einer Anzeige gegen den Arbeitge-
ber wegen betrieblicher Missstände die
Freiheit auf Meinungsäußerung (Artikel
10 EMRK) verletzt. Andererseits darf die
Ausübung des Anzeigerechts durch den
Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung
des BAG (etwa Urteil vom 4.7.1991, 2 AZR
Dem berechtigten Geheimhaltungsin-
teresse des Arbeitgebers können jedoch
im Einzelfall gegensätzliche rechtlich
geschützte Interessen des Arbeitneh-
mers, insbesondere dessen allgemeines
Persönlichkeitsrecht sowie dessen Mei-
nungsfreiheit (Artikel 2 und 5 GG) entge-
genstehen. Es hat dann eine Abwägung
der widerstreitenden Interessen stattzu-
finden, wobei Schmähkritik und Formal-
beleidigungen von der Meinungsfreiheit
des Arbeitnehmers ebenso wenig ge-
deckt sind wie unwahre Tatsachenbe-
hauptungen.
Relevant wird diese Abwägung ins-
besondere in Fällen des sogenannten
„Whistleblowing“, also der Information
über (vermeintliche) Missstände am Ar-
beitsplatz wie etwa illegales Handeln,
Korruption, sonstige Gesetzesverlet-
zungen oder Gefahren gegenüber inter-
nen oder externen Stellen. Während der
Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeits-
vertraglichen Treuepflicht zur internen
Information gegenüber Vorgesetzten be-
ziehungsweise dem Arbeitgeber grund-
sätzlich verpflichtet ist, besteht bei der
Die allgemeine Verschwiegenheitspflicht ist auch ohne ausdrückliche Regelung stets zu beachten. Im Einzelfall sollten Arbeitgeber
jedoch prüfen, ob eine vertragliche Erweiterung oder Konkretisierung sinnvoll ist.
Sogenannte „All-Klauseln“, durch die sich der Arbeitnehmer zur Ge-
heimhaltung aller ihm bekannt gewordenenen geschäftlichen oder
betrieblichen Tatsachen verpflichtet, verstoßen meist angesichts
ihrer Pauschalität gegen § 138 Absatz 1 BGB und – im Falle von For-
mularklauseln – gegen das Bestimmtheitsgebot des § 307 Absatz 1
Satz 2 BGB. Es empfiehlt sich somit im Arbeitsvertrag eine Regelung
zur Verschwiegenheitspflicht, beschränkt auf folgenden Wortlaut:
„Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Geschäfts- und Betriebsgeheim-
nisse sowie betriebliche Angelegenheiten vertraulicher Natur, die
als solche vom Arbeitgeber bezeichnet wurden beziehungsweise
offensichtlich als solche zu erkennen sind, geheim zu halten und
ohne ausdrückliche Genehmigung des Arbeitsgebers keinem Dritten
zugänglich zu machen. Diese Verpflichtung besteht auch nach Been-
digung des Arbeitsverhältnisses.“
Will der Arbeitgeber die Umstände, über die der Arbeitnehmer
Verschwiegenheit bewahren soll, näher konkretisieren oder ist er
zu einer solchen Konkretisierung gesetzlich verpflichtet (etwa aus
§ 15b Absatz 1 Satz 3 WpHG), so sollte in den Arbeitsvertrag selbst
lediglich der Hinweis aufgenommen werden, dass der Arbeitgeber
zur Konkretisierung der Verschwiegenheitspflichten berechtigt ist und
hierzu eine ergänzende Vereinbarung geschlossen wird. Die eigentli-
che Konkretisierung der geheim zu haltenden Tatsachen könnte dann
in der ergänzenden Vereinbarung etwa wie folgt lauten:
„Zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen insbesondere Ein-
zelheiten über ... (Beispiele: Herstellungsverfahren für das Produkt
XY; Pläne und Zeichnungen für das Produkt XY; Rezeptur für das
Getränk XY; Informationen über Umsätze, Ertragslagen sowie Lohn-
und Gehaltsdaten).“
All-Klauseln sollten vermieden werden
Praxisbeispiel
Musterformu ierung
Muster
Schweigepflichtvereinbarung bei
Ende des Arbeitsverhältnisses (HI435685)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE
HPO