Seite 56 - personalmagazin_2013_06

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spezial
_Stellenmärkte
personalmagazin 06 / 13
ner Frau oder einem Mann sind. Dann
schauen wir nur auf die Eignung.
personalmagazin:
Wie viele Tramführerstel-
len haben Sie zu besetzen?
Buckmann:
Wir suchen 50 bis 60 Tramfüh-
rer pro Jahr. Dieses Jahr sind es 60, da
die Demografiewelle ziemlich brutal ein-
geschlagen ist. Wir haben die Erfahrung
gemacht, dass es weniger Wirkung hat,
wenn wir das Werbebudget übers Jahr
verteilen. Wenn wir einmal pro Jahr mit
der großen Kelle anrühren, erreichen
wir mit weniger Geld mehr Wirkung.
„Männer sind auch willkommen“
INTERVIEW.
Die Verkehrsbetriebe Zürich haben eine Recruiting-Kampagne gestartet, die
sich gezielt an Frauen richtet. Personalleiter Jörg Buckmann zu den Hintergründen.
personalmagazin:
„Die VBZ suchen flinke
Kellnerinnen.“ Mit solch provokanten
Anzeigentexten werben Sie derzeit um
neue Tramführerinnen. Ist das rechtlich
überhaupt zulässig?
Jörg Buckmann:
Die Frage höre ich auch in
der Schweiz. Aber wenn ich in Deutsch-
land über unsere Kampagne berichte,
kommt mit 99-prozentiger Wahrschein-
lichkeit die Frage: „Haben Sie denn kein
AGG?“ Bei uns gibt es das sogenannte
„Gleichstellungsgesetz“. Ähnlich wie
beim AGG ist das Diskriminierungsver-
bot das Herzstück. Aber es gibt einen
Absatz, der besagt: „Angemessene Maß-
nahmen zur Verwirklichung der tat-
sächlichen Gleichstellung stellen keine
Diskriminierung dar.“ Das ist die gesetz-
liche Grundlage, auf die wir uns stützen:
Man darf in der Schweiz explizit in Inse-
raten nur Frauen oder nur Männer su-
chen, wenn man belegen kann, dass ein
starkes Ungleichgewicht vorliegt.
personalmagazin:
Und das haben Sie?
Buckmann:
Wir haben ein enormes Un-
gleichgewicht. Der Frauenanteil in den
VBZ liegt bei 18 Prozent. Im Bereich
Tram liegt er bei 25 Prozent. Das erlaubt
uns nach dem Gleichstellungsgesetz, ge-
zielt Frauen anzusprechen. Allerdings:
Wir würden diese Kampagne auch ma-
chen, wenn es diesen Passus im Gesetz
nicht gäbe. Wir würden es einfach darauf
ankommen lassen, weil wir das Gefühl
haben, es ist wichtig, mehr Frauen ins
Unternehmen zu holen. Es wäre un-
glaublich lustvoll, eine Rechtsgeschichte
auszufechten. Es würde auch ziemlich
viel Publicity geben, was wir positiv se-
hen. Publicity hilft uns ungemein, Be-
werbungen zu generieren.
personalmagazin:
Gab es Beschwerden von
Männern?
Buckmann:
2011/2012 hatten wir eine
Kampagne, die mit großen Plakaten für
Frauen und kleinen Plakaten für Män-
ner warb. Damals gab es einige wenige
Reaktionen von Männern, die mitteil-
ten, dass sie das nicht so toll finden. Das
hätten durchaus mehr sein dürfen. Eine
öffentliche Diskussion hätte uns über-
haupt nicht geschadet. Was interessant
war: Die Kampagne, die Anfang 2012
zu Ende ging, hat offenbar doch etwas
bewirkt, denn wir hatten in den vergan-
genen Monaten einige Anfragen, ob wir
auch Männer einstellen. Wir suchen in
den Anzeigen zwar speziell Frauen, aber
Männer sind auch sehr willkommen.
personalmagazin:
Die jetzige Kampagne ist
noch mutiger, da sie Frauen direkt in ty-
pischen Rollen wie „Coiffeuse“ anspricht.
Gab es darauf schon Reaktionen?
Buckmann:
Ausgezeichnete, das belegen
die Zahlen: In den ersten 70 Tagen des
Jahres 2013 lag der Frauenanteil bei
den Bewerbungen bei 21 Prozent. Nach
dem Start der neuen Kampagne imMärz
konnten wir den Frauenanteil auf 31 Pro-
zent erhöhen. Bei der ersten Kampagne
2011/2012 konnten wir den Frauenan-
teil von 16 auf 32 Prozent verdoppeln.
Bei den Anstellungen lag er nahezu bei
40 Prozent. Falls hier der Eindruck ent-
steht, wir würden nur Frauen einstellen
– der stimmt nicht. Wenn die Dossiers
vorliegen, ist es egal, ob diese von ei-
Jörg Buckmann,
Personalleiter der Ver-
kehrsbetriebe Zürich (VBZ), sorgt mit pfif-
figem Recruiting für Aufmerksamkeit. Die
aktuelle Kampagne spricht gezielt Frauen in
Berufen wie „Coiffeuse“ und „Kellnerin“ an.
Das Interview führte
Daniela Furkel.