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wöchentliche Ausbildungszeit kann
demnach reduziert werden, wenn ein
„berechtigtes Inte­resse“ vorliegt, was et-
wa bei der Betreuung eines Kindes, der
Pflege naher Angehöriger oder schwer-
wiegenden gesundheitlichen Einschrän-
kungen der Fall sein kann.
„Üblicherweise vereinbaren die Be-
triebe mit ihren Teilzeitauszubildenden
eine wöchentliche Ausbildungszeit zwi-
schen 25 und 30 Stunden. Dann ist keine
Verlängerung der gesamten Ausbildungs-
dauer notwendig“, erläutert Annette Land
das Konzept. Eine zweite Variante der
Teilzeitausbildung beschränkt sich auf
20 bis 25 Stunden pro Woche im Ausbil-
dungsbetrieb, hat aber zur Folge, dass
sich die Ausbildung um ein weiteres Jahr
verlängert. Der Berufsschulunterricht er-
folgt dabei immer in Vollzeit. Für Unter-
nehmen seien beide Varianten durchaus
lohnenswert: „Sie erschließen sich die
Potenziale einer neuen Bewerbergruppe,
die hoch motiviert ist. Damit sichern sie
sich nicht nur ihren Fachkräftebedarf,
sondern profitieren auch vom Image- und
Standortvorteil als familienfreundlicher
Betrieb und können die Ausbildungszeit
flexibel passend zur Betriebsstruktur ge-
stalten“, sagt Annette Land.
Noch weitgehend unbekannt
Doch zwischen Theorie und Praxis be-
steht eine große Diskrepanz: Laut den
Daten des Statistischen Bundesamts
standen im Jahr 2011 den 565.824 ab-
geschlossenen
Vollzeitsausbildungs-
verträgen lediglich 1.173 Verträge für
Teilzeitausbildungen gegenüber. Diese
Statistik zeuge von einem großen Infor-
mationsdefizit, resümiert Annette Land
das Problem: „Die Teilzeitberufsausbil-
dung ist sowohl bei den Unternehmen
als auch bei den jungen Eltern noch zu
wenig bekannt.“
Zudem hätten manche Unternehmen
noch Bedenken gegenüber dieser Ausbil-
dungsform. „Uns begegnen immer wie-
der Vorbehalte gegen eine Ausbildung
in Teilzeit, für die es keine empirische
Grundlage gibt“, erläutert Land. „Per-
sonaler befürchten beispielsweise Aus-
fallzeiten der Teilzeitauszubildenden
bei Erkrankung des Kindes und dass
es dadurch zu Unterbrechungen des Ar-
beitsablaufs kommen könnte. Oder sie
befürchten, dass Teilzeitauszubildende
Neid und Missgunst bei Vollzeitauszu-
bildenden hervorrufen könnten und da-
durch das Betriebsklima leiden könnte.
Manche Personaler bezweifelten auch,
dass die Ausbildungsinhalte in der
kürzeren Zeit erlernbar sind.“ Erfah-
rungsgemäß können diese Zweifel und
Vorbehalte relativ schnell beseitigt wer-
den. „Diese Auszubildenden sind sehr
engagiert. Sie beißen sich durch und ha-
ben wesentlich geringere Abbruchquo-
ten als Vollzeitauszubildende.“
Straffe Tagesorganisation ist Pflicht
Natürlich müssen Teilzeitauszubildende
ihren Tag straffer organisieren und oft
mehr leisten als ihre Kollegen, die keine
familiären Verpflichtungen haben. Bet-
ty Holloman (29), die gerade eine Teil-
zeitausbildung zur Bürokauffrau bei der
Flensburger Fahrzeugbau-Gesellschaft
(FFG) absolviert, erzählt: „Ich komme
später zur Arbeit und gehe früher als
terentwicklung im DB-Konzern. Wäh-
rend der Berufsausbildung soll die Ar-
beitszeit der Mütter und Väter bei dem
Pilotprojekt auf 75 Prozent reduziert
werden. Es wird dabei geprüft, ob die
Azubis individuell auch im Schichtsys-
tem eingeplant werden können.
Doch zunächst mussten intern einige
Vorbehalte aus demWeg geräumt werden.
„Da der Ausbildungsplan auf Vollzeit aus-
gerichtet ist, bestanden Bedenken, ob das
Ausbildungsziel erreicht werden kann“,
erzählt der Personaler. „Wir müssen ge-
währleisten, dass die Ausbildungsinhalte
vernünftig vermittelt werden, sodass die
Teilzeitazubis genau denselben Ausbil-
dungsstand haben wie andere auch.“ Die
DB geht davon aus, dass das zu schaffen
ist. „Unsere Hypothese ist, dass junge
Leute mit Kind das Thema Ausbildung fo-
kussierter angehen. Im Pilotprojekt wol-
len wir schauen, wo es Probleme geben
wird und wo wir nachjustieren müssen.“
Zwei Varianten für Ausbildungsdauer
Auch einige kleine und mittelständische
Betriebe, aber auch öffentliche Verwal-
tungen bilden inzwischen in Teilzeit
aus. „Doch es sind immer noch zu weni-
ge“, sagt Annette Land, die bei der Pro-
grammstelle „Jobstarter“ beim Bundes-
institut für Berufsbildung (BIBB) tätig
ist. „Jobstarter“ zählt zu den zahlreichen
Programmen und Initiativen, die bundes-
weit Teilzeitausbildung fördern und Un-
ternehmen dafür gewinnen wollen.
Seit 2005 darf eine Berufsausbildung
auch in Teilzeit erfolgen. Die gesetz-
liche Grundlage bildet das reformierte
Berufsbildungsgesetz: Die tägliche oder
„Die Teilzeit-
ausbildung
ist sowohl bei
den Unter-
nehmen als auch bei den
jungen Eltern noch zu
wenig bekannt.“
Annette Land, Mitarbeiterin bei der
Projektstelle „Jobstarter“
„Wir haben geschaut, welche Zielgruppe
wir bisher außer Acht gelassen haben. So
sind wir auf junge Eltern gekommen.“
Christof Beutgen, Leiter Mitarbeiterentwicklung bei der Deutschen Bahn AG