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(BAG, Urteil vom 20.9.2006, Az. 6 AZR
82/06). Auch im Handelsregister einge-
tragene Prokuristen sind kündigungs-
berechtigt und müssen beim Ausspruch
der Kündigung keine entsprechende
Vollmacht nachweisen.
Allerdings ist die im Handelsregister
eingetragene und vorgesehene Art der
Vertretung zwingend zu beachten. So
kommt es vor, dass Gesamtvertretung
angeordnet ist (mehrere Geschäftsführer,
Geschäftsführer und Prokurist oder Pro-
kurist und Prokurist). Diese Einschrän-
kungen werden häufig nicht beachtet, was
eine kürzlich ergangene Entscheidung
des LAG Hamm vom 16. Mai 2013 (Az. 17
Sa 310/13 – Revision eingelegt unter Az.
2 AZR 586/13) einmal mehr verdeutlicht.
Bedient sich der Arbeitgeber beim Ausspruch von Kündigungen eines Bevollmächtigten, so kommt es für eine rechtmäßige Zurückwei-
sung auf Einzelheiten an. Folgende Konstellationen sind von besonderer praktischer Relevanz.
Unterzeichnung mit dem Zusatz „i. V.“ oder „i. A.“
Die alleinige Mitteilung der Vertretungsmacht durch den Vertreter
auf dem Kündigungsschreiben durch den Unterschriftszusatz „i. V.“
reicht nicht aus (BAG, Urteil vom 12.1.2006, Az. 2 AZR 179/05).
Völlig ungeeignet ist in der Praxis die Unterzeichnung eines Kündi-
gungsschreibens mit dem Zusatz „i. A.“. Dieser deutet gerade an-
ders als der Zusatz „i. V.“ darauf hin, dass kein Vertretungs-, sondern
ein Auftragsverhältnis besteht (unter anderem LAG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 31.1.2008, Az. 9 Sa 416/09).
Vorlage der Vollmachtsurkunde bei Unterzeichnung mit „i. V.“
Dem Kündigungsschreiben muss eine Original-Vollmacht beigefügt
werden, aus der sich die Berechtigung des Bevollmächtigten ergibt.
Weder eine Foto- noch eine Telefaxkopie der Vollmachtsurkunde
sind hierfür ausreichend (LAG Düsseldorf, Urteil vom 22.2.1995,
Az. 4 Sa 1817/94). Auch die Vorlage einer beglaubigten Abschrift
genügt nicht. Achtung: Auch die Zurückweisung ist ein einseitiges
Rechtsgeschäft nach § 174 BGB. Beauftragt also der gekündigte
Mitarbeiter einen Anwalt mit der Zurückweisung, muss dieser bei der
durch ihn vorgenommenen Zurückweisung seinerseits eine Original-
Vollmacht des Kündigungsempfängers vorlegen; anderenfalls besteht
für den Arbeitgeber die Möglichkeit der sogenannten „Zurückweisung
der Zurückweisung“.
Einzelheiten entscheiden über eine berechtigte Zurückweisung
Praxisbeispiel
Hinweis
Für den Arbeitgeber sprach der Per-
sonalleiter, dem zugleich Gesamtproku-
ra erteilt war, eine Kündigung aus. Das
Kündigungsschreiben wurde von ihm
mit dem Zusatz „ppa“ und zusätzlich
von einem Personalsachbearbeiter mit
dem Zusatz „i. V.“ unterschrieben. Der
gekündigte Mitarbeiter wies die Kündi-
gung nach § 174 BGB zurück.
Das LAG Hamm hat die Kündigung für
unwirksam erklärt. Es stellte zunächst
fest, dass ein ausreichendes In-Kennt-
nis-Setzen über die Bevollmächtigung
zum Ausspruch von Kündigungen
nach § 174 Satz 2 BGB auch darin lie-
gen kann, dass der Arbeitgeber einem
bestimmten Mitarbeiter durch Bestel-
lung zum Leiter der Personalabteilung
in eine Stelle beruft, mit der regelmä-
ßig das Kündigungsrecht verbunden zu
sein pflegt (BAG, Urteil vom 14.4.2011,
Az. 6 AZR 727/09). Vorliegend habe der
kündigende Mitarbeiter nicht in seiner
Funktion als Personalleiter, sondern
in Ausübung der aus der Prokura fol-
genden Vertretungsmacht gehandelt,
weil er (selbstbindend) mit dem Zusatz
„ppa“ unterzeichnet hat. Diese war nur
als Gesamtprokura erteilt. Die Kündi-
gung hätte daher entweder von einem
Muster
Vorlage für die Erteilung einer
Prokura (HI100304)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE
Abgrenzungsfälle
Besteht ein Betriebsrat, so muss dieser gemäß § 102 BetrVG
beteiligt werden. Immer wieder kommt es hier zu Streitigkeiten
über die Wirksamkeit der einzuhaltenden Formalia. Das BAG
hat kürzlich entschieden, dass der Betriebsrat die Anhörung
zu einer beabsichtigten Kündigung, die durch einen Boten oder
Vertreter des Arbeitgebers erfolgt ist, nicht entsprechend­­
§ 174 Satz 1 BGB zurückweisen kann (Urteil vom 13.12.2012,
Az. 6 AZR 348/11). Habe der Betriebsrat Zweifel an der Boten-
oder Vertreterstellung der ihm gegenüber bei der Anhörung
auftretenden Person, kann er sich unmittelbar gegenüber dem
Arbeitgeber äußern.
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Insolvenz­
verwalter kann nicht nach § 174 BGB von dem gekündigten Ar-
beitnehmer zurückgewiesen werden (vergleiche LAG Schleswig-
Holstein, Urteil vom 5.2.2013, Az. 1 Sa 299/12).
Kein Fall des § 174 BGB ist eine Kündigung durch einen Ver-
treter, der nicht nur keine entsprechende Vollmacht nachweist,
sondern keine besitzt. Hat der Gekündigte die Vertretung ohne
Vertretungsmacht nicht beanstandet oder war er mit dieser
einverstanden, besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, die
Kündigung nachträglich zu genehmigen. Sie wird wirksam mit
dem Zugang der Genehmigungserklärung.