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Recht
_Kündigung
personalmagazin 10 / 13
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ie gesetzlich festgelegte, zwin-
gende Schriftform bei der
Kündigung eines Arbeitsver-
hältnisses und die hiermit
verbundenen Formalia bereiten in der
Praxis immer wieder Schwierigkeiten.
Dies gilt vor allem dann, wenn nicht der
gesetzliche Vertreter (Geschäftsführer
oder Vorstand), sondern ein anderer
Dritter die Kündigung erklärt.
Die arbeitsgerichtliche Rechtspre-
chung hat sich regelmäßig damit zu
beschäftigen, dass Arbeitnehmer Kün-
digungen zurückweisen, weil bei deren
Ausspruch die Vollmacht nicht nachge-
wiesen ist oder eine entsprechende Ver-
tretungsbefugnis nicht besteht. Auch
aktuelle Urteile belegen dies. Grund ge-
nug, sich des Themas anzunehmen, um
einfache Fehler künftig zu vermeiden.
Konkret geht es dabei umdie Vorschrift
des § 174 BGB (siehe Kasten auf ­Seite 72),
wonach ein einseitiges Rechtsgeschäft,
das ein Bevollmächtigter vornimmt,
dann als unwirksam gilt, wenn der Be-
vollmächtigte eine Vollmachtsurkunde
nicht vorlegt und der andere das Rechts-
geschäft aus diesem Grund unverzüglich
zurückweist. Möchte der gekündigte
Arbeitnehmer von seinem Zurückwei-
sungsrecht Gebrauch machen, so muss
die Zurückweisung unverzüglich erfol-
gen. Unverzüglich bedeutet hierbei nicht
sofort. Innerhalb welcher Zeitspanne
der Mitarbeiter die Kündigung wegen
der fehlenden Bevollmächtigung zu-
rückweisen muss, richtet sich nach den
Umständen des Einzelfalls. Ein Zeitraum
von einer Woche zwischen Zugang der
Kündigung und Zurückweisung wird in
der Regel noch als angemessen erachtet.
Kündigungsberechtigt oder nicht?
Zur Kündigung berechtigt ist grundsätz-
lich der Arbeitgeber, bei einer juristi-
schen Person deren gesetzlicher Vertre-
ter. § 174 BGB ist hier nicht anwendbar,
da diese Vorschrift lediglich die rechts-
geschäftliche Bevollmächtigung erfasst,
jedoch grundsätzlich nicht die organ-
schaftliche Vertretungsbefugnis wie die
eines Geschäftsführers oder Vorstands
Von
Ralf Kittelberger
und
Oliver Hahn
Vollmachtsrüge oder Kündigung
Übersicht.
Auch wenn eine Kündigung inhaltlich keine Angriffspunkte liefert, kann
sie dennoch unwirksam sein, wenn sie aus formalen Gründen zurückzuweisen ist.
Die harmlos anmutende Bestimmung des § 174 BGB kann bei Nichtbeachtung drasti-
sche Folgen für den Arbeitgeber haben. Dazu drei Fallbeispiele:
Beispiel 1: Der zwischenzeitliche Sonderkündigungsschutz
Eine Arbeitnehmerin erhält am 30. Juni 2013 die von dem Personalsachbearbeiter
unterzeichnete Kündigung der X-GmbH und weist diese unverzüglich wegen fehlender
Vorlage einer Vollmacht zurück. Als die X-GmbH im Juli 2013 eine erneute Kündigung
aussprechen will, ist die Arbeitnehmerin schwanger. Die Folge: Sie unterliegt nun dem
Sonderkündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz.
Beispiel 2: Die verpasste Zwei-Wochen-Frist
Ein Arbeitnehmer ist in einem Supermarkt als Kassierer angestellt. Am 1. September
wird er bei der Unterschlagung von Pfandbons ertappt. Nachdem der Betriebsrat für
den Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ordnungsgemäß angehört
wurde, übergibt der Filialleiter eine vom ihm mit „i. V.“ unterschriebene Kündigung am
15. September – jedoch ohne Vollmachtsvorlage. Der Arbeitnehmer weist die Kündigung
daher am 16. September ordnungsgemäß zurück. Folge: Der Ausspruch einer weiteren
außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen des Vorfalls am 1. September ist nicht
mehr möglich, da die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB abgelaufen ist.
Beispiel 3: Das verpasste Kündigungsfenster
Mit einer Führungskraft ist eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halbjahresende
vereinbart. Der Prokurist übergibt ihm am 31. Dezember eine von ihm mit dem Zusatz
„ppa.“ unterzeichnete Kündigung. Die Führungskraft weist die Kündigung unverzüglich
zurück, da der Prokurist im Handelsregister als Gesamtprokurist eingetragen ist. Folge:
Eine erneute Kündigung kann jetzt erst auf das Ende des nächsten Jahres wirken.
Harmlose Anlässe, böse Folgen
Praxisbeispiel
Beispiele