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Recht
_Betriebsratswahlen
personalmagazin 10 / 13
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
gebnis an einem Mittwoch ausgehängt
worden, endet die Frist mit Ablauf des
Mittwochs der zweiten darauffolgenden
Woche. Wird diese Frist versäumt, bleibt
der Betriebsrat grundsätzlich bis zur
nächsten turnusmäßigen Wahl mit allen
betriebsverfassungsrechtlichen Befugnis-
sen im Amt. Dass er fehlerhaft gewählt
wurde, spielt keine Rolle mehr.
Die Anfechtung muss aber nicht nur
rechtzeitig erfolgen. Weitere, entschei-
dende Voraussetzung ist ein Anfech-
tungsgrund. Er liegt laut Gesetz vor,
wenn gegen „wesentliche Vorschriften
über dasWahlrecht, dieWählbarkeit oder
das Wahlverfahren verstoßen worden“
und keine Berichtigung erfolgt ist – es
sei denn, dass dadurch das Wahlergebnis
nicht geändert oder beeinflusst werden
konnte. Anerkannte Anfechtungsgrün-
de sind unter anderem die Verkennung
des Betriebsbegriffs, die falsche Bemes-
sung der Betriebsgröße und infolgedes-
sen die Angabe einer zu großen oder zu
kleinen Zahl zu wählender Betriebsrats-
mitglieder im Wahlausschreiben, die
Zulassung von nicht wahlberechtigten
Arbeitnehmern, die Verkennung der
Schwellenwerte für die Anwendbar-
keit des vereinfachten Wahlverfahrens
(§ 14a BetrVG), aber zum Beispiel auch
Weise errichteten Wahlvorstand unter-
sagt werden kann, weiterhin tätig zu
werden. Daraus muss man folgern, dass
eine Abbruchverfügung wegen Mängeln
des Wahlverfahrens nur noch möglich
ist, wenn die Wahl voraussichtlich nich-
tig wäre, was selten der Fall ist (verglei-
che dazu den Kasten auf Seite 67).
Die betriebliche Praxis muss sich
– leider – auf die vom BAG gezogenen
Grenzen für eine Abbruchverfügung
einstellen, obwohl sie geradezu zu Ma-
nipulationen einladen. Das macht zum
Beispiel ein Beschluss des LAG Schles-
wig-Holstein vom 5.4.2012 (Az. 4 TaBVGa
1/12) deutlich, in dem das LAG die Ent-
scheidung des BAG zwar zu Recht stark
kritisiert, sich aber aus Gründen der
„Rechtseinheit“ daran gehindert sieht,
von der Rechtsauffassung des BAG ab-
zuweichen und eine Abbruchverfügung
zu erlassen. In den praktisch besonders
häufigen Fällen des Streits um den „rich-
tigen“ Betrieb wird die möglichst frühe
Einleitung eines Verfahrens nach § 18
Abs. 2 BetrVG deshalb noch wichtiger.
Das gilt umso mehr, als das BAG jeden
Verstoß gegen Wahlvorschriften geson-
dert prüft und mit Blick auf eine Nichtig-
keit der Wahl keine Gesamtwürdigung
vornimmt. Das „Zusammenrechnen“ von
Verstößen ist daher kein Ausweg.
Der Schnelleingriff durch einstweili-
gen Rechtsschutz
Sind die vom Wahlvorstand getroffenen
Maßnahmen und Entscheidungen nach
Auffassung des Arbeitgebers rechts-
widrig, muss hier wegen des durch den
Wahlablauf bestehenden Zeitdrucks
schnell durch Antrag auf den Erlass ei-
ner einstweiligen Verfügung gehandelt
werden. Denkbar sind im Wesentlichen
drei Ziele:
die Aussetzung der Wahl,
die Korrektur von Mängeln im Wahl-
verfahren vor dessen Abschluss und
der Abbruch der Wahl.
Die Eilbedürftigkeit als sogenannter
Verfügungsgrund ist regelmäßig gege-
ben, weil durch den schnellen Verlauf
des Wahlverfahrens ein erheblicher
Zeitdruck entsteht und ohne Eingriff
der Wahlabschluss mit den eingangs
skizzierten nachteiligen Folgen droht.
Ein Antrag auf Aussetzung der Wahl
hat nur Erfolg, wenn ein bereits vor
Beginn der Wahl angestrengtes Be-
schlussverfahren – zum Beispiel ein
Statusverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG
– kurz vor dem rechtskräftigen Ab-
schluss steht. In allen anderen Fällen ist
er aussichtslos.
Wenn Fehler passiert sind
Wird eine fehlerhafte Wahl nicht schon
im Vorfeld korrigiert oder durch eine
einstweilige Verfügung verhindert,
kann sie grundsätzlich nur noch durch
Anfechtung (§ 19 BetrVG) nachträglich
beseitigt werden. Bis zur erfolgreichen
Anfechtung bleibt der fehlerhaft ge-
wählte Betriebsrat allerdings im Amt.
Etwas anderes gilt nur in den extrem
seltenen Fällen der Nichtigkeit.
Erforderlich für eine erfolgreiche An-
fechtung ist zunächst die Erfüllung for-
meller Voraussetzungen. Ganz wichtig ist
dabei, dass die Wahl kraft Gesetzes nur
„binnen zwei Wochen nach der förmlichen
Bekanntgabe des Wahlergebnisses“ an-
gefochten werden kann. Ist das Wahler-
Welche betriebsverfassungsrechtlichen Folgen hat die Beschäftigung von Leiharbeit-
nehmern? Mit dieser Frage hat sich das BAG in mehreren Enscheidungen befasst.
Der Dauerbrenner Leiharbeit wirkt sich auch auf die Betriebsratswahl aus. Das BAG hat
zuletzt mehrere heftig umstrittene Fragen geklärt: Zunächst gilt der bekannte Merksatz
„Leiharbeitnehmer wählen, aber zählen nicht“ nicht mehr. Der 7. Senat des BAG hat am
13.3.2013 (Az. 7 ABR 7 ABR 69/11) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung ent-
schieden, in der Regel beschäftigte Leiharbeitnehmer seien bei den Schwellenwerten
des § 9 BetrVG im Entleiherbetrieb mitzuzählen. Auf die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
für die Wählbarkeit erforderliche sechsmonatige Betriebszugehörigkeit sind Beschäf-
tigungszeiten als Leiharbeitnehmer im entleihenden Betrieb ebenfalls anzurechnen,
wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an die Überlassung ein Arbeitsver-
hältnis mit dem Entleiher begründet (BAG, Urteil vom 10.10.2012, Az. 7 ABR 53/11).
Bei Kooperationen mit staatlichen Einrichtungen gilt: Arbeitnehmer des öffentlichen
Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen mindestens sechs
Monate als Leiharbeitnehmer im Wege der Personalgestellung tätig sind, können dort in
den Betriebsrat gewählt werden (BAG, Urteil vom 15.8.2012, Az. 7 ABR 34/11).
Der Streit um die Leiharbeitnehmer
Praxisbeispiel
Rechtsprechung