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Recht
_Betriebsratswahlen
personalmagazin 10 / 13
B
etriebsratswahlen sind kom-
pliziert. Noch komplizierter
sind nur Aufsichtsratswahlen.
Fachleute klagen, dass selbst
die Wahl des Bundespräsidenten einfa-
cher ist. Die einzuhaltenden Fristen, die
Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern,
leitenden Angestellten und freien Mit-
arbeitern, der Umgang mit Leiharbeit-
nehmern, die Bestimmung des richtigen
Betriebs und der maßgeblichen Schwel-
lenwerte – neuerdings unter Berück-
sichtigung von Leiharbeitnehmern – all
diese Hürden und viele mehr müssen
genommen werden, damit der „richtige“
Betriebsrat im „richtigen“ Betrieb auch
„richtig“ gewählt ist.
Der Arbeitgeber hat im Regelfall ein
hohes Interesse daran, dass eine Be-
triebsratswahl nicht fehlerhaft ist. Er
trägt nämlich die Wahlkosten und muss
deshalb nicht nur die fehlerhafte Wahl,
sondern auch eine etwaige außerturnus-
mäßige Neuwahl finanzieren. Das ist
belastend, wäre aber vielleicht noch hin-
nehmbar. Entscheidend kommt jedoch
hinzu, dass Arbeitnehmer und Arbeit-
geber typischerweise auch mit einem
fehlerhaft gewählten Betriebsrat über
längere Zeit „leben“ müssen. Ist die Wahl
nicht ausnahmsweise nichtig, bleibt der
falsch gewählte Betriebsrat grundsätz-
lich bis zur nächsten turnusmäßigen
Wahl im Amt. Abkürzen lässt sich sei-
ne Amtszeit nur durch ein gerichtliches
Wahlanfechtungsverfahren, das aber
oft mindestens zwei bis drei Jahre dau-
ert und außerdem nur für die Zukunft
wirkt. An der Vergangenheit ändert es
nichts mehr. Bis es abgeschlossen ist,
hat der fehlerhaft gewählte Betriebsrat
ein Vollmandat. Der Arbeitgeber muss
ihn beteiligen und ist an seine Mitbe-
stimmungsentscheidungen gebunden.
Die Mitarbeiter ebenfalls – ob sie wollen
oder nicht. Ordnungsgemäße Betriebs-
ratswahlen sind daher zunächst für den
Arbeitgeber und die Belegschaft wichtig.
Für den Betriebsrat gilt aber nichts an-
deres. Er ist sonst während der gesamten
Dauer seiner Amtszeit mit dem Makel
behaftet, unter Verstoß gegen das Gesetz
– rechtswidrig – gewählt worden zu sein.
Wahlfehler sollten daher im Interesse al-
ler Beteiligten möglichst bereits im Vor-
feld verhindert werden.
Das Statusverfahren klärt, welches
der richtige Betrieb ist
Dazu sollte zunächst einmal sicherge-
stellt werden, dass der Wahl die rich-
tige betriebsratsfähige Organisations-
einheit, der richtige Betrieb, zugrunde
gelegt wird. Klären lässt sich das in
einem sogenannten Statusverfahren
nach § 18 Abs. 2 Betriebsverfassungs-
gesetz (BetrVG), das eingeleitet werden
sollte, sobald sich unterschiedliche Auf-
fassungen über den „richtigen“ Betrieb
abzeichnen. Es kann nicht nur bei Zwei-
feln darüber, ob ein betriebsratsfähiger
Betrieb vorliegt (unter anderem vom Ar-
beitgeber), beantragt werden. Wie das
Bundesarbeitsgericht (BAG) zum Bei-
spiel in seinem Beschluss vom 18.1.2012
(Az. 7 ABR 72/10) bestätigt hat, kann im
Statusverfahren auch geklärt werden,
ob mehrere selbstständige Betriebe oder
ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Un-
ternehmen vorliegen, ob Betriebsteile
nach § 4 BetrVG selbstständig oder ei-
nem Betrieb zugeordnet oder welche
Betriebsratsstrukturen nach § 3 BetrVG
vereinbart worden sind. Ob und wo be-
reits Betriebsräte gewählt sind, spielt
dabei keine Rolle.
Ergeht vor Abschluss des Wahlver-
fahrens im Statusverfahren eine rechts-
kräftige Entscheidung, ist sie für alle
Verfahrensbeteiligten und für die lau-
fende Wahl verbindlich. Hat der Wahl-
vorstand bei der Einleitung der Wahl
einen anderen als den vom Arbeitsge-
richt festgestellten Betrieb zugrunde
gelegt, muss die Wahl abgebrochen und
eine neue Wahl unter Berücksichtigung
Von
Patrick Mückl
und
Esther Herrnstadt
Abbruch, Korrektur, Nichtigkeit
Serie.
Der letzte Teil unserer Serie beschäftigt sich mit der Frage, wann und wie der
Arbeitgeber reagieren sollte, wenn er Fehler vor oder während der Wahl erkennt.
Serie Betriebsratswahlen 2014
Ausgabe 07/2013: Alternative Betriebsratsmodelle
Ausgabe 08/2013: Wer wählen darf und wie die Betriebsgröße ermittelt wird
Ausgabe 09/2013: Spielraum und Grenzen beim Wahlkampf
Ausgabe 10/2013: Die fehlerhafte Betriebsratswahl – Anfechtung und Rechtsmittel