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personalmagazin 10 / 13
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Titel
_Social Recruiting
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
rieren und die Nachteile zu kompensie-
ren, die aus diesem Verbot entstehen,
so wäre das eindeutig unzulässig.
Oder: In einer aktuellen Entscheidung
des Landgerichts Heidelberg hatte ein
Konkurrent einem Mitarbeiter über
Xing geschrieben: „Sie wissen ja hof-
fentlich, in was für einemUnternehmen
Sie gelandet sind. Ich wünsche Ihnen
einfach mal viel Glück. Bei Fragen gebe
ich gerne Auskunft.“ Damit macht man
den aktuellen Arbeitgeber schlecht.
Die abwertenden Bemerkungen waren
sachlich nicht gerechtfertigt, unverhält-
nismäßig und daher unzulässig.
personalmagazin:
Was sind die Folgen einer
solch unzulässigen Ansprache?
Ulbricht:
Der aktuelle Arbeitgeber hat
einerseits einen Unterlassungs-, ande-
rerseits einen Schadenersatzanspruch
– soweit er das unzulässige Verhalten
mitbekommt. Gerade den häufig ge-
nannten Schadenersatz sehe ich prak-
tisch jedoch nicht. Die Schwierigkeit
ist, dass Unternehmen lediglich den
tatsächlich entstandenen Schaden er-
setzt bekommen, der aber sehr selten
nur konkret in Euro und Cent zu bestim-
men ist. Praktisch häufiger ist dagegen
ein Unterlassungsanspruch. Üblicher-
weise wird dabei das abwerbende Un-
ternehmen zunächst abgemahnt und
aufgefordert, eine Unterlassungserklä-
rung zu unterschreiben sowie bei einem
Verstoß dagegen eine Vertragsstrafe zu
zahlen. Bis dahin sind Anwaltskosten
von zumindest 1.000 bis 2.000 Euro
angefallen, die bei einem unzulässigen
Verhalten das abwerbende Unterneh-
„Nicht zu penetrant vorgehen“
INTERVIEW.
Wie Unternehmen mögliche Kandidaten von Konkurrenten abwerben dürfen
und was dabei zu beachten ist, erklärt Rechtsanwalt Carsten Ulbricht im Interview.
personalmagazin:
Dürfen Unternehmen
über soziale Netzwerke neue Mitarbeiter
bei Konkurrenten suchen, ansprechen
und für sich gewinnen?
Dr. Carsten Ulbricht:
Das Abwerben fremder
Mitarbeiter ist auch bei planmäßigem
Vorgehen grundsätzlich erlaubt – auch
über Social-Media-Kanäle. Das „Ob“ ist
also nicht das Problem. Die Frage ist
eher „Wie“, also was darf ich sagen und
wo muss ich aufpassen. Verfolgen Un-
ternehmen bei der Ansprache nämlich
einen verwerflichen Zweck oder setzen
sie verwerfliche Mittel oder Methoden
ein, dann stellt sich der Abwerbeversuch
als wettbewerbswidrig dar.
personalmagazin:
Wie dürfen Unternehmen
Kandidaten angehen – und wie nicht?
Ulbricht:
Es ist grundsätzlich nicht verbo-
ten, jemanden anzusprechen und ihm
ein Stellenangebot zu unterbreiten, also
etwa darauf hinzuweisen, dass man ein
attraktives Unternehmen sei, dass man
dieses mache und jenes anbiete. Die
Grenze ist jedoch überschritten, wenn
es das primäre Ziel der Abwerbung ist,
ein anderes Unternehmen zu behin-
dern oder auszubeuten. Dann verfolgt
der Abwerbende einen verwerflichen
Zweck. Unzulässige Mittel oder Me-
thoden sieht die Rechtsprechung dann,
wenn Recruiter zum Vertragsbruch ver-
leiten, irreführende oder herabsetzende
Äußerungen über den aktuellen Arbeit-
geber tätigen, unwahre Aussagen über
geplante Personalmaßnahmen treffen,
dem Mitarbeiter mit Nachteilen drohen
oder rechtswidrige Vorteile verspre-
chen. Abwerben ist also im Grundsatz
möglich. Unternehmen sollten nur nicht
zu penetrant vorgehen, nicht in den pri-
vaten Bereich der Kandidaten eindrin-
gen und in der Ansprache nicht über die
genannten Grenzen hinausgehen.
personalmagazin:
Können Sie für diese
Grenzen Beispiele nennen?
Ulbricht:
Oft ist in Arbeitsverträgen ein
Wettbewerbsverbot vereinbart, also der
Arbeitnehmer darf beispielsweise sechs
Monate nach Verlassen des Unterneh-
mens nicht im gleichen geschäftlichen
Umfeld arbeiten. Tragen Recruiter dem
Kandidaten nun an, das Verbot zu igno-
Dr. Carsten Ulbricht
ist Rechtsanwalt
und Partner bei der Kanzlei Diem & Partner
in Stuttgart. Er berät zu rechtlichen Themen
des Internets, ist Autor des Buchs „Social
Media und Recht“ sowie des Blogs