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personalmagazin 10 / 13
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Titel
_Social Recruiting
Bewerber zunehmend verärgert auf die
Tatsache, dass sie in den Netzwerken
mit unqualifizierten Ansprachen über-
häuft werden.
Bewerber hören auf Kollegen
Mit dem verstärkten Einsatz der eigenen
Mitarbeiter für die Personalgewinnung
folgen die Firmen einer Entwicklung,
die auch auf Bewerberseite festzustellen
ist. Eine Umfrage von Xing zeigt: 69 Pro-
zent der Befragten haben bereits min-
destens einmal ein Stellenangebot aus
dem Bekanntenkreis empfohlen bekom-
men, 36 Prozent haben ein solches An-
gebot auch angenommen. Dabei sehen
die Befragten es als besonders wichtig
an, sich über ihre Kontakte individuel-
le Informationen über den potenziellen
Arbeitgeber einzuholen. Gleichzeitig
sind sie auch dazu bereit, sich mit ih-
ren direkten oder indirekten Kontakten
über die Arbeitgeberqualitäten der eige-
nen Firma auszutauschen. 98 Prozent
stimmten diesem Austausch zu.
„Zufriedene Mitarbeiter sind die
wichtigsten Aushängeschilder, die ein
Arbeitgeber haben kann. Daher ist es
ratsam, Mitarbeiter in die Personalar-
beit mit einzubinden“, sagt Dr. Thomas
Vollmoel­ler, CEO von Xing. Dabei sei es
auch keine Katastrophe, wenn sich eini-
ge Mitarbeiter kritisch über das Unter-
nehmen äußern würden. „Solange es die
Wahrheit ist, profitieren Arbeitgeber wie
-nehmer. Für beide gibt es im Grunde
nichts Schlimmeres, als zu spät zu mer-
ken, dass sie nicht zusammenpassen.“
Weitaus bedenklicher sei es, wenn man
feststelle, dass die Mitarbeiter nur un-
gern die eigene Firma als Arbeitgeber
empfehlen. „Dann sollten alle Alarmglo-
cken angehen und die Ursachen ermit-
telt werden“, so Vollmoeller.
Unterstützung durch IT
Eigentlich ist es nichts Neues, dass
Unternehmen die Kontakte ihrer Mit-
arbeiter zu früheren Kollegen oder
Kommilitonen nutzen, um so zu neuem
Personal zu kommen. Neu sind jedoch
die Technologien, die dies unterstützen.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Lindner-
Gruppe, die im Frühjahr 2013 eine Emp-
fehlungsplattform von Bonago einführ-
te, über die Mitarbeiter offene Stellen
per E-Mail oder durch soziale Netzwerke
weiterleiten können. Für erfolgreiche
Empfehlungen erhalten sie Gutscheine
bei Firmen von Aral bis Zalando (siehe
Personalmagazin 6/2013).
Zahlreiche weitere Anbieter brach-
ten in den vergangenen Wochen und
Monaten Lösungen auf den Markt, die
Jobempfehlungen softwaretechnisch un-
terstützen. Der Dienst „Whizper“ stellt
einen Empfehlungs-Button bereit, den
Arbeitgeber in Online-Stelleninserate
einbinden können. Wer auf den Button
klickt, kann die ausgeschriebene Stel-
le via E-Mail und soziale Netzwerke an
Freunde und Bekannte weiterleiten.
Wird einer der empfohlenen Kandidaten
eingestellt, wird eine Vermittlungsprä-
mie ausgezahlt. Unternehmen zahlen
eine Gebühr, um den Button und die
verbundenen Funktionen nutzen zu
können. Die Vermittlungsprämie an den
Nutzer und an den Anbieter wird nur bei
erfolgreicher Vermittlung fällig.
Ganz ähnlich ist die Funktionsweise
der Plattform „Buddybroker“: Freunde
und Bekannte vermitteln einander als
Makler freie Stellen und erhalten dafür
eine Provision. Unternehmen können
auf der Plattform inserieren und be-
kommen im weiteren Prozess Kandida-
tenempfehlungen und Bewerbungen als
anonymisierte Profile zugesandt. Sowohl
für das Öffnen eines Profils als auch für
die erfolgreiche Vermittlung erhalten der
Anbieter und der Empfehler ein Entgelt.
Hier ist das Empfehlungsprinzip über
die Grenzen der eigenen Mitarbeiter ins
soziale Web weiterentwickelt. Das bietet
die Chance einer größeren Reichweite,
aber auch das Risiko weniger zielgerich-
teter Empfehlungen.
Neue Recruiting-Wege rechnen sich
Der goße Vorteil des Prinzips Mitar-
beiterempfehlungen ist nämlich: Be-
stehende Mitarbeiter werden es sich
fünfmal überlegen, bevor sie jemanden
empfehlen. Denn bringt dieser nicht
die gewünschte Leistung oder erweist
sich als schwierige Persönlichkeit, wirft
dies einen negativen Schatten auf den
Empfehler. Gerade deshalb sind die
Empfehlungsprogramme so interessant
für Unternehmen. Wie eine Studie der
Hochschule Furtwangen vor einiger Zeit
herausfand, führen drei von sieben Emp-
fehlungen zur Einstellung eines neuen
Mitarbeiters. 59 Prozent der Befragten
sagen: „Unser Programm erwies sich in
der Vergangenheit als sehr erfolgreich.“
Auch ohne Softwareunterstützung kön-
nen sich Empfehlungen rechnen, denn
Unternehmen erreichen über diesen Weg
Kandidaten, zu denen sie sonst keinen
Zugang hätten, etwa weil diese sich nicht
aktiv nach einer neuen Stelle umsehen.
Wie das Beispiel der Berliner Stadtrei-
nigung (siehe Seite 20) zeigt, kann die
Personalgewinnung erheblich davon pro-
fitieren, wenn Mitarbeiter in ihrem Um-
feld für ihren Arbeitgeber werben – auch
ohne explizites Empfehlungsprogramm.
Nicht alles muss mit Softwarelösungen
oder Social-Media-Anbindungen abge-
deckt werden. Das ist auch die Ansicht
von Jürgen Sorg von der Techniker Kran-
kenkasse (sie­he Seite 17). Viel wichtiger
sei der individuelle Kontakt. Lassen Sie
sich von den Beispielen und Tipps zur
Ansprache von Kandidaten für Ihren
persönlichen Weg des Social Recruitings
inspirieren.
Mitarbeiter überlegen es
sich fünfmal, bevor sie
jemanden empfehlen.
Das macht den Reiz der
Empfehlungsprogram­me
aus – und den Erfolg die-
ses Recruiting-Kanals.