Seite 75 - personalmagazin_2013_05

Basic HTML-Version

05 / 13 personalmagazin
Recht
_Kolumne
75
Liebe Personalexperten,
können Sie sich
vorstellen, über die Frage, ob Sie einem
Mitarbeiter nachgewiesene Auslagen im
Wert von 14,36 Euro erstatten müssen,
fast fünf Jahre eine gerichtliche Ausei-
nandersetzung zu führen? Das so etwas
vorkommt, hat ein arbeitsgerichtliches
Verfahren gezeigt, das mit einer Ent-
scheidung des Bundesarbeitsgerichts
am 12. März 2013 (Az. 9 AZR 455/11)
sein Ende gefunden hat. Inhaltlich wur-
de darüber gestritten, ob ein Mathe-
matiklehrer die von ihm verauslagten
Kosten für ein imUnterricht vorgeschrie-
benes Lehrbuch verlangen konnte.
Zu Recht werden Sie sich hier zunächst
fragen, wie es die Beteiligten überhaupt
geschafft haben, mit einem solchen Ba-
gatellstreit drei Gerichtsinstanzen zu
beschäftigen. Grundsätzlich ist so etwas
auch nicht möglich, denn derart niedrige
Streitwerte sind schon nicht berufungs-,
geschweige denn revisionsfähig. Aber
Sie wissen ja: Das Wort „grundsätzlich“
ist in der Juristerei und besonders im
Arbeitsrecht mit Vorsicht zu genießen.
Und so gibt es immer wieder Sachver-
halte, mit denen man sämtliche In-
stanzen beschäftigen kann, selbst wenn
es nur um Centbeträge geht. Vor allem
dann, wenn es um Streitigkeiten aus
dem öffentlichen Dienst geht, ziehen
die Arbeitsgerichte auffallend oft die
Karte der „grundsätzlichen Bedeutung
des Falls“, was dann den Weg bis zum
Erfurter Bundesgericht ermöglicht. So
auch in unserem „14,36-Euro-Fall“, mit
dem sich über fast fünf Jahre lang zwei
Kammervorsitzende und eine Senatsbe-
setzung zuzüglich diverser Laienrichter
beschäftigten durften.
Schaut man sich die Prozessgeschich-
te dieses Verfahrens an, so mag man
gar nicht darüber nachdenken, wie viel
direkte und indirekte Kosten dieser
Rechtsstreit ausgelöst hat.
KOLUMNE.
Wenn öffentliche Arbeitgeber die Gerichte
beschäftigen, bleibt die Vernunft zuweilen auf der Strecke.
Amtlich geförderte
Steuerverschwendung
Aber ist es nicht ein rechtsstaatlich
zu akzeptierendes Privatvergnügen des
Einzelnen, die formellen Möglichkeiten
eines Klagewegs auszunutzen, denn
schließlich muss dieser auch die Folgen
einer wirtschaftlich unvernünftigen Pro-
zessführung tragen?
Dieses Argument passt jedoch dann
nicht mehr so recht, wenn es die öf-
fentliche Hand selbst ist, die auf Teufel
komm raus denWeg durch die Instanzen
betreibt. Vielmehr wird hier das Privat-
vergnügen zur schlichten Steuerver-
schwendung, denn die Liebe einzelner
Behördenleiter zur gerichtlichen Aus-
einandersetzung belastet keinen Un-
ternehmeretat, sondern wird aus dem
Steuersäckel finanziert.
Der Steuerverschwendung wird
dann noch die Krone aufgesetzt, wenn
die Behörde frühzeitig erkennen kann,
dass sie in der Sache eigentlich keine
Chance hat, den Prozess zu gewinnen.
So geschehen in unserem Schulbuchfall.
Hier bestätigten alle Instanzen kurz und
knapp das, was Jurastudenten schon im
Anfangssemester lernen: nämlich dass
notwendige Aufwendungen vom Auf-
traggeber zu ersetzen sind.
Alles Gute und bis zum nächsten Mal.
Thomas Muschiol
ist
Leiter des Ressorts Recht im
Personalmagazin.
Kostenlose
Studie
unter
de-adp.com
IHREM ERFOLG VERPFLICHTET
Die
neue
Arbeits-
welt.
Vor allem dann, wenn
es um Streitigkeiten
aus dem öffentlichen
Dienst geht, ziehen die
Arbeitsgerichte auffallend
oft die Karte der „grund-
sätzlichen Bedeutung
des Falls“.