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personalmagazin 05 / 13
Recht
_Transfergesellschaft
D
er Einsatz sogenannter Trans-
fer- oder Beschäftigungs- und
Qualifizierungsgesellschaften
(im Folgenden: BQG) ist häu-
fig ein geeignetes Mittel, um im Fall der
Unternehmenskrise oder -insolvenz Ar-
beitsplätze und Insolvenzmasse zu ret-
ten. Zwei aktuelle Entscheidungen des
BAG ziehen allerdings erneut enge Gren-
zen für die Zulässigkeit solcher Modelle
(Urteile vom 25.10.2012, 8 AZR 572/11 7
und 8 AZR 575/11).
So funktioniert ein BQG-Modell
Gerät ein Unternehmen in die Krise,
scheitert die Veräußerung und Weiter-
führung einzelner Betriebsteile durch
den Erwerber oft daran, dass dieser
nicht bereit ist, die Beschäftigten zu
den alten Bedingungen zu überneh-
men. Dies aber wäre gesetzliche Folge
eines Betriebsübergangs (§ 613a BGB).
Im Ergebnis kommt es daher häufig zu
betriebsbedingten Kündigungen. Einen
Ausweg bietet das BQG-Modell. Es funk-
tioniert wie folgt:
• Die Mitarbeiter schließen mit dem
Veräußerer einen Aufhebungsvertrag
sowie mit der BQG einen neuen „Ar-
beitsvertrag”. Beides wird oft in einem
dreiseitigen Vertrag kombiniert. Weil
das BQG-Modell in der Regel nur sinn-
voll ist, wenn zumindest ein großer Teil
der Arbeitnehmer mitmacht, geben die-
se zuerst ein Vertragsangebot ab, das
bei Erreichen eines bestimmten Quo-
rums vom Arbeitgeber, Insolvenzver-
walter und der BQG angenommen wird.
Von
Barbara Bittmann
und
Susanne Mujan
• Der Vertrag mit der BQG ist meist
wegen der Beschränkung des Transfer-
kurzarbeitergeldes auf ein Jahr befris-
tet. Die Arbeitnehmer erhalten in der
BQG in erster Linie Transferkurzarbei-
tergeld, zum Teil aufgestockt durch vom
Arbeitgeber finanzierte Leistungen. Es
ist Aufgabe der BQG, die Arbeitnehmer
in neue Beschäftigungsverhältnisse zu
vermitteln.
• Nach Wechsel in die BQG übernimmt
der Erwerber die Betriebsmittel vom
Veräußerer. Dies stellt zwar regelmäßig
einen Betriebsübergang oder zumindest
-teilübergang dar. Dieser ist aber inso-
fern für den Erwerber unproblematisch,
dass die Arbeitsverhältnisse zuvor wirk-
sam beendet wurden und daher nicht
mit dem Betriebsübergang auf den Er-
werber übergehen.
Die Vorteile einer Transfer- oder Be-
schäftigungsgesellschaft liegen auf der
Hand:
• Der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter
erspart sich das mit eventuellen Kün-
digungsschutzverfahren
verbundene
Richterliche Hürden
RECHTSPRECHUNG.
Transfergesellschaften sind ein probates Mittel bei krisenbedingten
Personalmaßnahmen. Für ihre Gestaltung hat das BAG neue Vorgaben gemacht.
Um die durch die Rechtsprechung vorgegebenen Indizien zu vermeiden, die für einen
Betriebsübergang sprechen könnten, sollten folgende Punkte beachtet werden:
Keine Aushändigung eines ausformulierten, unterzeichneten Arbeitsvertrags mit dem
Erwerber zeitgleich mit Aushändigung des dreiseitigen Vertrags mit der BQG
Keine Zusage gegenüber der Belegschaft, der Gewerkschaft und dem Betriebsrat, der
Erwerber werde eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern sicher übernehmen
Möglichst auch keine solche Zusage in begleitenden Verträgen zwischen Veräußerer
und Erwerber, zum Beispiel im Kaufvertrag
Mittelfristiges Verweilen der Mitarbeiter in der BQG, bestenfalls für Zeitraum der Kün-
digungsfrist (im Insolvenzfall: drei Monate, § 113 InsO), jedenfalls aber für mehrere
Wochen
Klare Kommunikation gegenüber der Belegschaft, dass es sich beim Abschluss des
dreiseitigen Vertrags um ein Risikogeschäft handelt (einschließlich entsprechender
Dokumentation)
Keine Eins-zu-eins-Fortführung des Betriebs durch den Erwerber, stattdessen organisa-
torische, räumliche oder funktionelle Veränderungen
(tm)
Umgehungsvorwurf entgegenwirken
Praxisbeispiel
BQG-Check