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personalmagazin 05 / 13
Recht
_zeitarbeit
D
ie Größe des Betriebsratsgre-
miums wird durch die Anzahl
der regelmäßig beschäftigten
wahlberechtigten Arbeitneh-
mern bestimmt. Dies ist in § 9 BetrVG
seit eh und je so geregelt. Für die Fest-
stellung der Betriebsgröße sind ab sofort
in Betrieben, die regelmäßig Leiharbeit-
nehmer beschäftigen, neue Maßstäbe
anzulegen. So kann sich beispielsweise
die Anzahl der Betriebsräte in einem
Betrieb, der mit 50 Stammmitarbeitern
und einem regelmäßigen Einsatz von 51
Leiharbeitnehmern Großaufträge abwi-
ckelt, mehr als verdoppeln – von bisher
drei Mitgliedern auf ein Gremium von
sieben Betriebsräten.
Die Erfurter Kehrtwende
Der Grund für diese Rechtsänderung:
Am 13. März 2013 hat das Bundesar-
Von
Thomas Muschiol
(Red.)
beitsgericht eine spektakuläre Entschei-
dung gefällt, zu deren Inhalt es in einer
Pressemitteilung lapidar heißt: „Leihar-
beitnehmer sind bei der für die Größe
des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl
der Arbeitnehmer eines Betriebs grund-
sätzlich zu berücksichtigen“ (Az. 7
ABR 69/11). Das Urteil überraschte die
Fachwelt, hatten die Bundesrichter doch
bisher noch die genau gegenteilige Mei-
nung vertreten. Andererseits hatte sich
die Erfurter Kehrtwende aber unlängst
angedeutet, denn der zweite Senat hatte
bereits am 24. Januar 2013 das Mitzäh-
len von Leiharbeitnehmern auch bei der
Bestimmung des Kleinbetriebsbegriffs
nach dem Kündigungsschutzgesetz an-
geordnet (wir berichteten da­rüber in der
Ausgabe 3/2013, Seite 66).
Das Warten auf die Urteilsbegründung
Was das Bundesarbeitsgericht in seiner
Pressemitteilung leider nicht erkennen
lässt, ist eine klare Antwort auf die Fra-
ge, ab welcher Einsatzzeit ein Leiharbeit-
nehmer in die Zählweise nach ­§ 9 BetrVG
einzubeziehen ist. Einig ist man sich nur
darüber, dass – wie beim Kleinbetriebsur-
teil – der Begriff der „Regelmäßigkeit“
entscheidend sein muss (vergleiche die
Stimmen auf der nächsten Seite).
Lediglich einen griffigen Ansatzpunkt
hat das BAG in seiner Pressemitteilung
gegeben. Es unterscheidet zwischen Be-
trieben unterhalb und oberhalb einer
Grenze von 100 Arbeitnehmern. Ab 101
Arbeitnehmern, so die Aussage aus der
Pressemitteilung, käme es nicht mehr
darauf an, ob die beschäftigten Leihar-
beitnehmer selbst für den Betriebsrat
im Einsatzunternehmen wahlberechtigt
sind. Umgekehrt gilt demnach, dass bei
Betrieben bis 100 Arbeitnehmern sich
die Frage, ob Leiharbeitnehmer mitzäh-
len, erst dann stellt, wenn diese auch
mitwählen dürfen, also gemäß § 7 Be-
trVG länger als drei Monate im Betrieb
eingesetzt werden.
Auswirkungen auf die Praxis
Schon nach bisherigem Recht konnte
man sich bei der im Rahmen von Be-
triebsratswahlen zu stellenden Frage
„Wie groß ist eigentlich unser Betrieb?“
trefflich streiten. Dies deswegen, weil
auch bei der bisherigen Zählweise nicht
die zu einem bestimmten Stichtag im
Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer der
Maßstab für die Betriebsgröße waren,
sondern nach § 9 BetrVG die „in der
Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer. Mit
der Hinzunahme der Leiharbeitnehmer
ist somit der Begriff der „Regelmäßig-
50 Mitarbeiter, sieben Vertreter
urteil.
Das BAG hat entschieden: Ab sofort hat auch die Anzahl der regelmäßig be-
schäftigten Leiharbeitnehmer Einfluss auf die Größe des Betriebsratsgremiums.
2014 ist wieder Wahljahr in den Betrieben. In der Zeit vom 1. März bis 31. Mai finden
die regelmäßigen Betriebsratswahlen statt.
Nicht nur wegen der jetzt zu beachtenden neuen Betriebsgrößenbestimmung, sondern
auch aus vielen anderen Gründen sollten die Personalabteilungen nicht nur über den
Ablauf, sondern auch über Gestaltungs- und Reaktionsmöglichkeiten im Hinblick auf
die bevorstehenden Betriebsratswahlen informiert sein. Wir werden daher in Ausgabe
7/2013 mit einer mehrteiligen Serie zum Thema Betriebsratswahl starten. In der ersten
Folge geht es dabei um kreative Modelle alternativer Betriebsratsstrukturen, zum Bei-
spiel durch Vereinbarung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats.
(tm)
Die nächste Betriebsratswahl im Blick
Praxisbeispiel
hinweis