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Von
Thomas Lambrich
Sofortige Kündigung möglich
expertentipp.
Der Fall Amazon hat gezeigt: Es kann Situationen geben, in denen ein
Unternehmen aus einem Überlassungsvertrag sofort aussteigen muss.
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Dr. Thomas Lambrich
ist Rechtsanwalt und Partner
bei Noerr LLP in Berlin.
dürfen. Häufig werden Dienstleister
verpflichtet, die beim Auftraggeber gel-
tenden Compliance-Standards, eventu-
ell konkret dessen „Code of Conduct“
einzuhalten. Ähnliche Regelungen sind
in Arbeitnehmerüberlassungsverträgen
denkbar.
Ohne eine ausdrückliche Regelung
bleibt dem Entleiher, wenn er von unlau-
teren Praktiken seines Vertragspartners
Kenntnis erlangt, nur das Instrument
der außerordentlichen Kündigung. Ein
wichtiger Grund dafür kann auch in
der Verletzung einer ungeschriebenen
Rücksichtnahmepflicht liegen, also in
einem unredlichen und rufschädigen-
den Verhalten. Voraussetzung ist, dass
die Verfehlungen so schwer wiegen,
dass dadurch das notwendige Vertrau-
ensverhältnis erschüttert und die Ver-
tragsfortsetzung unzumutbar wird. Als
illustrierendes Beispiel aus der Recht-
sprechung mag eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofs (Az. 1 ZR 184/898)
aus dem Jahr 1991 dienen, in welcher
die außerordentliche Kündigung eines
Lizenzvertrags durch den Lizenzgeber
für wirksam gehalten wurde, weil der
Lizenznehmer über mehrere Monate
Verstöße gegen strafbewehrte lebens-
mittelrechtliche Bestimmungen began-
gen und seinen Vertragspartner unter
Verletzung seiner Vertragspflichten
trotz der erkennbaren Gefahren für
dessen Ruf und Ansehen bewusst nicht
unterrichtet hat. Legt man diese Maß-
stäbe zugrunde, sollte in Arbeitnehmer­
überlassungsverträge etwa für den Fall,
dass ausländische Arbeitnehmer ein-
gesetzt werden, die Verpflichtung des
Verleihers aufgenommen werden, dass
diese über etwaig erforderliche Aufent-
halts- und Arbeitserlaubnisse verfügen.
Generell erscheint es möglich, den Ver-
leiher in Gestalt einer Generalklausel
zu verpflichten, im Zusammenhang mit
dem Einsatz der Leiharbeitnehmer beim
Entleiher von Verhaltensweisen abzuse-
hen, durch welche Ruf und Ansehen des
Entleihers geschädigt werden können.
Sinnvoll erscheint es, wenn sich der Ent-
leiher im Fall des Verstoßes gegen die
vertraglich vereinbarten Nebenpflichten
explizit ein außerordentliches Kündi-
gungsrecht ausbedingt. Das erleichtert
es zumindest, im Falle einer Pflichtver-
letzung für die wirksame Beendigung
des Vertrags zu argumentieren.
D
ie Causa Amazon hat hohe
Wellen geschlagen und einer
gesamten Branche, die zu Un-
recht in den Generalverdacht
gerückt wird, Arbeitnehmer zu unwür-
digen Bedingungen zu beschäftigen,
weiter geschadet. Nachdem der Rauch
der Empörung sich ein wenig verzo-
gen hat, tut man gut daran, sich auf
eine nüchterne juristische Bewertung
zu besinnen. Der Gegenstand eines Ar-
beitnehmerüberlassungsvertrags be-
steht nur darin, dass der Verleiher dem
Entleiher Leiharbeitnehmer überlässt.
Zwischen den Parteien wird zudem typi-
scherweise vereinbart, dass die überlas-
senen Arbeitnehmer die zur Erbringung
der Tätigkeiten beim Entleiher notwen-
digen Kenntnisse und Fähigkeiten auf-
weisen. Wo das Verleihunternehmen die
Arbeitnehmer rekrutiert und woher sie
stammen, steht außerhalb des Rechts-
verhältnisses zwischen Verleiher und
Entleiher. Der Einsatz von Leiharbeit-
nehmern, die – in welcher Form auch
immer – durch das Verleihunternehmen,
das heißt ihren Arbeitgeber, in unange-
messener Weise behandelt werden, ist
für den Entleiher somit mehr ein Image-
als ein Rechtsproblem.
„Code of Conduct“ oder Kündigung
Man kennt das Phänomen aus anderen
Bereichen: So legen Handelsunterneh-
men etwa in ihren Einkaufsbedingun-
gen fest, dass ihre Lieferanten keine
durch Kinderarbeit oder gegen Hun-
gerlöhne produzierte Waren liefern
Ein wichtiger Grund für
die außerordentliche
Kündigung eines Über-
lassungsvertrags kann
auch in einem unredli-
chen und rufschädigen-
den Verhalten liegen.