Seite 29 - personalmagazin_2013_05

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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
für psychische Belastungen durch ex-
zessive Veränderungsinitiativen, unre-
alistische Zielvorgaben und kooperati-
onsbehindernde Arbeitsstrukturen.
Gesundheit: Reorganisationen hän-
gen vom Belastungsempfinden ab.
Veränderungsgeschwindigkeit
und
-tiefe in Betrieben werden mit von Be-
lastungsdiagnosen abhängig sein, die
Fragen stellen wie: Ist die letzte Reorga-
nisation schon abgeschlossen? Und: Wie
ist das Veränderungs-Commitment der
Mitarbeiter? Im Ergebnis werden Reor-
ganisationen nur dann durchgeführt,
wenn die Belastungen der Firmenlei-
tung bekannt sind. Ziel ist eine „päda-
gogisch dosierte“ Veränderungskultur.
Gesundheit: Klug finanzierbare Aus-
zeitmodelle sind Normalität.
Auch klug finanzierbare „Step out“-
und Rückkehrprogramme werden im
Themenfeld „Gesundheit“ bedeutend
sein. Sie werden es den Mitarbeitern
ermöglichen, für eine bestimmte Zeit
aus ihrem Job auszusteigen, ohne damit
ihr Karriereende zu besiegeln. In Kom-
bination mit Souveränität bei täglicher
Arbeitszeit und -ort werden sie dadurch
angemessenen Raum für Privatleben,
Familie, Pflege, Lernen, soziales und po-
litisches Engagement sowie für persön-
liche Regeneration haben.
Gesundheit: Individuelle variable
Vergütung ist abgeschafft.
Betriebe werden ihre Ziel-, Vergütungs-
und Performance-Management-Systeme
reformiert haben. Solidaritätsschaffen-
de, kollektive Erfolgsbeteiligungssys-
teme haben die individuelle variable
Vergütung abgelöst. Performance-Ma-
nagement-Systeme fußen dann über-
wiegend auf qualitativen, den echten
Führungsdialog erfordernden Größen.
Wissen und Kompetenz: Lehrende er-
fahren Renaissance an Wertschätzung.
Lehrende jeder Couleur werden eine
Renaissance an gesellschaftlicher und
betrieblicher Bedeutung und Wertschät-
zung erfahren. Grund hierfür ist ihre
Kompetenz, mit unterschiedlichstem
Talent zu arbeiten, sowie ihre Fähigkeit,
dieses frühzeitig zu fördern. „Pädago-
gische Manufakturen“ werden an die
Stelle von (Aus-)Sortiermaschinen und
Reparaturbetrieben von heute treten.
Wissen und Kompetenz: Inklusion ist
das Leitmotiv im Talentmanagement.
Das Aussieben von Talent durch frühe
Selektion und bildungsbürgerliche Aus-
wahlverfahren wird bis 2023 der Be-
gegnung auf Augenhöhe weichen. Das
gilt sowohl für das heutige obere Ende
des Qualifikationsspektrums als auch
für das heutige untere Ende, wo ganze
Talentquellen vernachlässigt werden.
2023 werden Unternehmen selbst Be-
werber sein. Ein bedeutender Prozent-
satz bislang ausgegrenzter Talente wird
dank einer veränderten Auswahlphilo-
sophie als Nachwuchs gewonnen.
Wissen und Kompetenz: Bologna-
Reform prägt betriebliche Bildung.
Die Idee der Bologna-Hochschulreform
ist es, das modulare, mehroptionale,
lebenslange, berufsbegleitende und per-
sönlichkeitsbildende Lehren und Ler-
nen zu fördern. Damit soll die bisherige
Struktur der Hochschulbildung, die sich
als kompakt, komplex, linear beschrei-
ben lässt und eher unter dem Motto
„einmal und dann nie wieder im Leben“
lief, ersetzt werden. Diese Idee wird bis
2023 auch die gesamte betriebliche Bil-
dungslandschaft prägen. Die besten Un-
ternehmen werden, um möglichst viel-
fältige Talente früh zu fördern, eigene
oder Verbundschulen wie -hochschulen
besitzen und sich damit zu Co-Investo-
ren von (wissenschaftlicher) Bildung
entwickeln.
Diversity: Vielfalt ist für Unternehmen
Überlebensprinzip.
Das Thema „Diversität“ wird für Un-
ternehmen im Jahr 2023 zum Überle-
bensprinzip. Erfolgreich werden vor
allem die Betriebe sein, die Raum für
Individualität schaffen und Talente un-
terschiedlichster sozialer, ethnischer
und kultureller Hintergründe – Frauen
wie Männer, Jung wie Alt – entdecken
und binden. Karriereeinstiege werden
entgegen der bisher dominanten Jung-
männer-Karrieremuster zu jeglicher
Lebensphase möglich sein. Nicht diskri-
minierende Auswahlverfahren prägen
die Einstellungs- und Förderkultur. Der
dafür notwenige Wandel in den Köpfen
wird durch Zielgrößen flankiert. Sie
machen die Vorzüge der Veränderung
wahrnehmbar. Wo Selbstverpflichtun-
gen nicht greifen, werden ordnungspo-
litische Quoten gesetzt.
Diversity: Die Antwort auf anhaltende
Transformation lautet Diversity.
Diversity wird 2023 die Antwort auf
anhaltende Transformation sein. Um
dem zunehmend disruptiven, unvor-
hersehbaren und komplexen Wandel
zu begegnen, müssen Organisationen
in der Lage sein, aus unterschiedlichen
Perspektiven heraus neuartige Lösun-
gen zu schaffen, statt die alten Prob-
lemlösungsroutinen zu wiederholen.
Diversity ist 2023 ein zentraler Hebel
von Organisationen, um wetterfest und
widerstandsfähig zu bleiben und um
souverän auf die steigende Komplexität
der Umwelt zu reagieren.
Fazit: Der Sinn spielt die Hauptrolle.
Im Jahr 2023 werden Menschen sehr
klar unterscheiden zwischen sinnlosen,
sinnvernichtenden, sinnsuchenden und
sinnstiftenden Unternehmen. Und sie
werden nicht mehr bereit sein, für Un-
ternehmen zu arbeiten, deren Ziele sich
nicht mit ihren individuellen Interes-
sen, Bedürfnissen und Werten vereinba-
ren lassen.
Thomas Sattelberger
ist Themenbot-
schafter der Initiative Neue Qualität der Ar-
beit. Er war bis Mai 2012 Personalvorstand
der Deutschen Telekom.