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Recht
_Betriebsratswahlen
personalmagazin 07 / 13
struktur auch inhaltliche Problemstel-
lungen, zumindest dann, wenn rechtlich
nicht sicher ist, ob eine Angelegenheit
von deutschlandweiter Bedeutung auch
tatsächlich überregional beispielsweise
durch den Gesamtbetriebsrat verhandelt
und gelöst werden kann. Die Gerichte se-
hen grundsätzlich den lokalen Betriebs-
rat in der Verantwortung, während der
Gesamtbetriebsrat eine originäre Zu-
ständigkeit nur dann beanspruchen
kann, wenn denknotwendig nur eine
bundesweite Lösung in Betracht kommt.
Vom gesetzlichen Leitbild abweichen
Diese Schwierigkeiten können dann
minimiert werden, wenn Unternehmen
sich entschließen, eine unternehmens-
einheitliche Betriebsratsstruktur auf-
zusetzen. Dazu eröffnet das Betriebs-
verfassungsgesetz seit dem Jahr 2000
diverse Möglichkeiten.
Grundsätzlich ist eine Abweichung
vom gesetzlichen Leitbild der Betriebs-
räte nach dem BetrVG primär mittels
Tarifvertrag möglich. Üblicherweise
wird dies im Rahmen eines Firmenta-
rifvertrags oder eines firmenbezogenen
Verbandstarifvertrags
vereinbart.
Notwendig hierbei ist, alle von den ta-
riflichen Regelungen betroffenen Unter-
nehmen am Tarifvertrag zu beteiligen.
Um rechtliche Schwierigkeiten zu ver-
meiden, ist Arbeitgebern zu empfehlen,
zu regeln,
• ob der Tarifvertrag auch nach dessen
Beendigung nachwirken soll und
• dass die Laufzeit des Tarifvertrags
der normalen Betriebsratsamtszeit ent-
spricht. Andernfalls kann dies zu einer
Anfechtbarkeit der Betriebsratswahlen
und damit zu Umstellungsschwierigkei-
ten führen.
Betriebsvereinbarung als Alternative
Wenn in den Unternehmen kein Ta-
rifvertrag unmittelbar, zwingend und
damit normativ Anwendung findet,
kann durch Betriebsvereinbarung eine
alternative Betriebsratsstruktur ver-
einbart werden. Dabei ist wichtig: Eine
lediglich arbeitsvertraglich vereinbarte
Inbezugnahme eines einschlägigen Ta-
rifvertrags steht der Möglichkeit einer
Betriebsvereinbarung nicht entgegen.
Sollte in dem Unternehmen weder eine
tarifliche Regelung noch ein Betriebs-
rat bestehen, ist sogar eine Implemen-
tierung
unternehmenseinheitlicher
Betriebsräte durch Arbeitnehmerent-
scheid möglich.
Grundvoraussetzung für eine kollek-
tivrechtliche Regelung zur Bildung von
unternehmenseinheitlichen Betriebs-
räten ist, dass die Wahrnehmung der
Interessen der Arbeitnehmer durch die
Abweichung verbessert wird. Erfah-
rungsgemäß kann dies immer damit
begründet werden, dass die aufgrund
der dezentralen Struktur bestehenden
Nachteile (langwierige Verfahren, un-
terschiedliche Regelungen) mit einer
zentralen Struktur deutlich verbessert
werden können. Entscheidend ist, dass
ein Tarifvertrag zur Bildung eines un-
Vorteile
Nachteile
Unternehmenseinheitliche Struktur
Höherer gestalterischer und politischer
Aufwand
Nur einheitlich kündbar; kein Sonderweg
einzelner Standorte
Widerstand der bisherigen Betriebsräte
gegen „Entmachtung“
Erfasst Betriebe und Betriebsteile
Bei Tarifverträgen: Tarifvertrag ist Einfallstor
für weitere Tarifforderungen; Abhängigkeit
von Gewerkschaften
Erfasst neu gegründete und neu hinzukom-
mende Betriebsteile (im Fall einer Betriebs-
vereinbarung streitig, sonst unstreitig)
Bei Betriebsräten: rechtliche Unsicherheit,
da wirksame Zuordnung auch der Ex-Betriebe
notwendig ist
Symmetrie von Leitungs- und Mitarbeiterver-
tretungsstrukturen
Struktur-Betriebsvereinbarung ist kündbar.
Bei politischen Änderungen kann die Struktur
des unternehmenseinheitlichen Betriebsrat
allein durch diesen abgeschafft werden
Kostenersparnis
Erschwerung bei etwaigen betriebsbeding-
ten Kündigungen/Maßnahmen (Stichwort
Sozialauswahl)
Abwägung
Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen: Die Tabelle zeigt, was für und was gegen
die Einführung eines einheitlichen Betriebsrats für das gesamte Unternehmen spricht.
Vor einer Verhandlung über einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat sollte der
Arbeitgeber Antworten auf folgende Fragen feststellen:
Was ist der Status quo mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen?
Wo liegen die Vorteile einer Neuorganisation der Arbeitnehmervertretungen mitsamt den
damit einhergehenden wirtschaftlichen Folgen oder gegebenenfalls Verbesserungen?
Wer sind mögliche Verhandlungspartner? Müssen die Regeln mit Gewerkschaft, Be-
triebsräten, Gesamt- oder Konzernbetriebsräten ausgehandelt werden?
Was sind die einseitigen Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers?
Wie Sie die Umsetzung vorbereiten
Praxisbeispiel
Vorgehen