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U
nternehmen, die mehrere
Betriebe in Deutschland un-
terhalten, sind zumeist damit
konfrontiert, dass sich in je-
dem ihrer Betriebe ein Betriebsrat bildet.
Besonders stark ausgeprägt ist dies bei
Filialisten wie Lebensmitteldiscountern,
Baumärkten, Drogeriemärkten oder
Kaufhäusern und bei Dienstleistern wie
Catering-Unternehmen. Dem Betriebs-
verfassungsgesetz (Betr­VG) liegt noch
immer das anachronistische Leitbild zu-
grunde, dass pro Betrieb ein Betriebsrat
gewählt wird. Darüber hinaus ist, wenn
ein Unternehmen mehrere Betriebe hat,
ein Gesamtbetriebsrat oder, wenn ein
Konzern mehrere Unternehmen hat, ein
Konzernbetriebsrat zu bilden.
Seit der Novelle im Jahr 2000 eröffnet
das Betriebsverfassungsgesetz jedoch
die vereinfachte Möglichkeit, moderne
und anpassungsfähige Betriebsrats-
strukturen zu schaffen. Denn gerade in
komplexeren Konzernstrukturen oder
in Unternehmen mit einer Vielzahl von
Betrieben – und damit einer Vielzahl von
Betriebsräten – besteht oft der Wunsch
nach Zentralisierung und Vereinfa-
chung.
Mehrere Betriebe, zentrale Steuerung
Die auf dem gesetzlichen Regelfall ba-
sierende mehrbetriebliche Unterneh-
mensstruktur hat zur Folge, dass die
häufig zentral vom Unternehmenssitz
agierende Personalabteilung eine Fülle
von partikularen Betriebsratsinteressen
beachten muss, während in der Praxis
Von
Marco Ferme
und
Thomas Drosdeck
fast immer die Hauptthemen, die der
Personalabteilung obliegen, zentral an-
gedacht und auch operativ zentral ein-
gesteuert werden.
Diese Situation wirft nicht selten grö-
ßere Probleme auf: So ist die Zahl der
Mandatsträger in manchen Unterneh-
men unübersichtlich und im Verhältnis
zur Gesamtarbeitnehmerzahl unpro-
portioniert. Es gibt Unternehmen, die
bei einer Arbeitnehmerzahl von 10.000
mehr als 300 Mandatsträger ausweisen,
die sich auf mehr als 50 Betriebsrats-
gremien verteilen – wobei Gesamt- und
Konzernbetriebsratsmandate zwar per-
sonenidentisch sind, die Zahl der Gre-
mien aber noch erhöhen. Je zergliederter
die betriebliche Struktur, desto größer
ist die Anzahl der Gremien. Neben den
damit verbundenen Kosten ist auch die
Geschwindigkeit der Umsetzung von
Maßnahmen häufig ein kritischer As-
pekt. Das zeigt sich gerade dann, wenn
etwa ein deutsches Unternehmen in
einem internationalen Konzern angesie-
delt ist und die Konzernleitung zynisch
bemerkt, dass Deutschland bei der Um-
setzung im internationalen Vergleich an
letzter Stelle steht. Schließlich ergeben
sich aus einer dezentralen Betriebsrats-
Alternative Betriebsratsmodelle
Gestaltung.
Wenn Unternehmen in viele Betriebseinheiten gegliedert sind, kann es
sinnvoll sein, über einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat nachzudenken.
Der Gesetzgeber sieht sehr weitgehende Möglichkeiten vor, maßgeschneiderte Be-
triebsratsmodelle in Unternehmen einzuführen.
Gemäß § 3 BetrVG kann für Unternehmen mit mehreren Betrieben die Bildung eines
unternehmenseinheitlichen Betriebsrats (UBR) oder die Zusammenfassung von Betrie-
ben vereinbart werden, „wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer
sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient“. Zudem besteht die
Möglichkeit, Spartenbetriebsräte (üblich bei Matrix-Organisationen), über das BetrVG hin-
ausgehende betriebsverfassungsrechtliche Gremien (Arbeitsgemeinschaften) und – mittels
Tarifvertrag – eine andere Arbeitnehmervertreterstruktur zu bilden.
Gerade die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit, alternative Betriebsratsstrukturen zu
bilden, ermöglicht nur eine Neudefinition des Betriebsbegriffs. Das BetrVG im Übrigen
bleibt hiervon unberührt. Das bedeutet, dass neben der Bildung einer alternativen Be-
triebsratsstruktur durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung auch eine
vom Gesetz abweichende Zusammensetzung von Gesamt- oder Konzernbetriebsräten,
veränderte Regelung zur Freistellung von Betriebsräten,
Verlängerung des Übergangsmandats
geregelt werden kann.
Betriebsbegriff kann gestaltet werden
Praxisbeispiel
hintergrund