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I
n vielen Branchen sind angestellte
Arbeitnehmer tätig, die Mitglied ei-
ner berufsständischen Kammer sind
und die ihre Altersversorgung über
die Mitgliedschaft in einem berufsstän-
dischen Versorgungswerk sicherstellen.
Das gilt zum Beispiel für angestellte
Ärzte, Tierärzte, Apotheker, Architek-
ten, Rechtsanwälte oder Wirtschafts-
prüfer. Die Besonderheit: Angestellte
aus diesen Berufsgruppen können sich
von der Versicherungspflicht in der ge-
setzlichen Rentenversicherung befreien
lassen. Im Falle des Fehlens oder der
Unwirksamkeit der Befreiung können
sich im Laufe der Zeit für jedes Beschäf-
tigungsverhältnis Beitragsforderungen
der gesetzlichen Rentenversicherung
in fünfstelliger Höhe aufbauen. Hierfür
haftet der Arbeitgeber der Rentenversi-
cherung gegenüber in vollem Umfang,
wobei er beim versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer, wenn überhaupt, nur be-
grenzt Rückgriff nehmen kann.
Das BSG hat sich mit drei Urteilen mit
der Reichweite der Befreiung von der
Versicherungspflicht beschäftigt. Beson-
ders deutlich zeigt die Entscheidung mit
dem Aktenzeichen B 12 R 3/11 R die hie-
raus für den Arbeitgeber erwachsenden
Risiken auf: Ein Arzt war zunächst bei
einem Krankenhaus als Arbeitnehmer
angestellt und dort auf seinen Antrag hin
aufgrund seiner Pflichtmitgliedschaft
in einer berufsständischen Ärzteversor-
gung von der Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Nach einigen Monaten wechselte er in
Von
Thomas Thees
ein Arbeitsverhältnis als Pharmaberater.
Einen neuen Befreiungsantrag stellte er
nicht. Der neue Arbeitgeber verließ sich
auf die vorangegangene Befreiung und
führte keinen Beitrag zur gesetzlichen
Rentenversicherung ab. Infolge einer
einige Jahre später erfolgten Betriebs-
prüfung wurde der Arbeitgeber von der
Deutschen Rentenversicherung Bund auf
Zahlung von über 40.000 Euro rückstän-
diger Rentenversicherungsbeiträge in
Anspruch genommen.
Die jeweilige Beschäftigung zählt
Das Bundessozialgericht hat in dieser
Entscheidung klargestellt, dass für jedes
neue Beschäftigungsverhältnis vom Be-
schäftigten ein Antrag auf Befreiung von
der Rentenversicherung zu stellen ist.
Die Befreiung ist nach § 6 Absatz 5 Satz 1
SGB VI auf die „jeweilige Beschäftigung“
beschränkt. Nach erfolgtem Wechsel zu
einem anderen Arbeitgeber und Begrün-
dung eines anderen Arbeitsverhältnisses
handelt es sich nicht mehr um das Be-
schäftigungsverhältnis, für das die Befrei-
ung ursprünglich erteilt war. Die Befrei-
ung von der Versicherungspflicht besteht
deshalb für das neue Arbeitsverhältnis
nicht. Eine einmal erteilte Befreiung gilt
auch nicht für später aufgenommene
„berufsgruppenspezifische“ Tätigkeiten
bei einem anderen Arbeitgeber, für die
ebenfalls die Befreiungsvoraussetzungen
vorliegen würden. Vielmehr bedarf es bei
jedem Beschäftigungswechsel eines neu-
en Antrags auf Befreiung von der Versi-
cherungspflicht.
Beitragsfalle Versorgungswerk
urteile.
Ohne die aktuelle Befreiung von der gesetz­lichen Rentenversicherungspflicht
muss der Arbeitgeber bei bestimmten Berufsgruppen doppelt zahlen.
Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass eine Befreiung von der gesetzlichen
Rentenversicherungspflicht nur für das jeweilige Beschäftigungsverhältnis wirkt.
Will der Arbeitgeber vermeiden, zur Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen he­
rangezogen zu werden, obwohl er bereits anteilig Beiträge zu einem Versorgungswerk
getragen hat, muss er sicherstellen, dass die Befreiung von der Rentenversicherungs­
pflicht für das konkret bei ihm bestehende Arbeitsverhältnis erteilt worden ist. Bei
jeder Neueinstellung ist daher ein neuer Befreiungsantrag zu stellen. Bei bestehenden
Arbeitsverhältnissen sollte geprüft werden, ob ein Befreiungsbescheid für die konkrete
Beschäftigung vorliegt. Ist dies nicht der Fall, sollte der Arbeitgeber darauf hinwirken,
dass der betroffene Mitarbeiter einen Befreiungsantrag stellt.
Befreiungsbescheid wirkt nur einmal
Praxisbeispiel
Hinweis
Dr. Thomas thees
ist Fach­
anwalt für Arbeitsrecht und
Partner bei der Luther Rechts­
anwaltsgesellschaft mbH.