Seite 54 - personalmagazin_2013_07

Basic HTML-Version

54
spezial
_Entgelt
personalmagazin 07 / 13
ten ist, im Rahmen einer Betriebsprüfung
zu rechtfertigen. Die vorausschauende
Betrachtungsweise klappt bereits in der
Sozialversicherung nicht – warum sollte
das bei der ersten Tätigkeitsstätte funk-
tionieren? Aus Nachweisgründen sollten
Sie in den Fällen, in denen die zukunfts-
bezogene Betrachtung der voraussichtli-
chen Zuordnung schwierig ist, kurz die
Beurteilungskriterien schriftlich auf-
zeichnen.
Verpflegungsmehraufwand ab 2014
Im Rahmen des neuen Reisekosten-
rechts wurden die Zeitstaffeln für
Verpflegungsmehraufwen­dungen (Tages-
spesen) oder den Werbungskostenabzug
für Verpflegungsmehraufwand geändert.
Aus drei Zeitstaffeln (ab acht Stunden/ab
14 Stunden/volle 24 Stunden) werden ab
2014 nur noch zwei:
• Weiterhin gilt für Dienstreisetage mit
einer Abwesenheit von 24 Stunden ein
Verpflegungsmehraufwand von 24 Euro
in Deutschland (§ 9 Absatz 4a Satz 3
Nummer 1 EStG). Dieser Betrag kann
steuerfrei erstattet werden.
• Für Dienstreisen ohne Übernachtung
von mehr als acht Stunden gilt ein Spe-
sensatz von zwölf Euro (§ 9 Absatz 4a
Satz 3 Nummer 3 EStG).
• Für Dienstreisen mit Übernachtung
gilt eine Neureglung: Steuerlich gilt für
Abreise- und Rückreisetage ein Ver-
pflegungsmehraufwand von zwölf Euro,
unabhängig von der Abwesenheitsdau-
er. Voraussetzung ist, dass der Arbeit-
nehmer an diesem Tag, einem anschlie-
ßenden oder einem vorhergehenden
Tag außerhalb seiner Wohnung über-
nachtet (§ 9 Absatz 4a Satz 3 Nummer 2
EStG).
andreas sprenger
ist
Steuerberater, Fachautor
und Referent für Fragen der
Entgeltabrechnung.
Der Gesetzgeber legt die Bestimmung der
ersten Tätigkeitsstätte in die Hand des
Arbeitgebers und räumt diesem damit ein
nicht unerhebliches Gestaltungsrecht ein.
Arbeitet der Arbeitnehmer an verschiedenen
Orten und weist der Arbeitsvertrag ihm ei-
nen festen Arbeitsort zu, ohne dass (zusätz-
lich) ein Versetzungsvorbehalt vereinbart
ist, wird der festgelegte Arbeitsort auch als
erste Tätigkeitsstätte im steuerrechtlichen
Sinne anzusehen sein. Arbeitsvertraglich
bietet sich hier eine ergänzende Klarstel-
lung etwa wie folgt an: „Der nach diesem
Vertrag zugewiesene Arbeitsort stellt auch
die erste Tätigkeitsstätte im steuerrechtli-
chen Sinne dar.“ Allerdings ist zu beachten:
Bei einer derartigen Gestaltung scheidet die
einseitige Zuweisung einer anderen ersten
Tätigkeitsstätte durch den Arbeitgeber aus.
Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitsvertrag
keinen bestimmten Arbeitsort festlegt, der
Arbeitnehmer aber an verschiedenen Orten
tätig wird. In diesem Fall obliegt es dem
Arbeitgeber gemäß § 106 Satz 1 GewO, den
Ort der Tätigkeit des Arbeitnehmers nach
billigem Ermessen zu bestimmen. Macht
der Arbeitgeber von diesem Weisungsrecht
Gebrauch, besteht nun grundsätzlich die
Möglichkeit, einen dieser Orte oder gar
einen anderen Ort als erste Tätigkeitsstätte
festzulegen. Der Arbeitgeber kann also eine
für den Arbeitnehmer steuerlich günstige
(oder auch ungünstige) Weisung erteilen,
da nach dem Gesetzeswortlaut nicht die
tatsächlichen Verhältnisse, sondern die ar-
beitsrechtlichen Festlegungen entscheidend
sind. Bei dieser Festlegung hat der Arbeitge-
ber aber zu beachten, dass die zugewiesene
erste Tätigkeitsstätte nur eine ortsfeste
betriebliche Einrichtung sein kann, der der
Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet wird.
Insoweit ist anzuraten, nur einen der
zugewiesenen Arbeitsorte als erste Tätig-
keitsstätte auszuwählen, um Widersprüche
zwischen der arbeitsrechtlichen und der
steuerrechtlichen Gestaltung zu vermeiden.
Derartige Widersprüche könnten im Rahmen
von Betriebsprüfungen als Anhaltspunkte
einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung an-
gesehen werden. Um bei Betriebsprüfungen
die einseitige Zuweisung eines Arbeitsorts
als erste Tätigkeitsstätte belegen zu können,
sollte die Weisung schriftlich und unter
ausdrücklicher Benennung der Arbeitsstätte
als „erste Tätigkeitsstätte“ erfolgen.
Ist die erste Tätigkeitsstätte in neuen
Arbeitsverträgen oder bei Vertragsanpassun-
gen festgelegt, ist dem Arbeitgeber zu emp-
Arbeitsrechtlich richtig gestalten
expertenrat
Wenn sich steuerrechtliche Rahmenbedingungen ändern, sollte dies bei
der Ausgestaltung arbeitsrechtlicher individual- und kollektivvertragli-
cher Regelungen berücksichtigt werden.
fehlen, sich eine Versetzung vorzubehalten.
Dies dokumentiert, dass sich der Arbeitsort
des Arbeitnehmers trotz der Zuweisung
einer anderen ersten Tätigkeitsstätte wieder
ändern kann.
Besonderheiten bestehen, wenn die
Grundsätze der Erstattung von Reisekosten
auf betrieblicher Ebene mit dem Betriebsrat
vereinbart sind. Der Handlungsbedarf hängt
dann davon ab, wie die Betriebsvereinba-
rung im Einzelfall ausgestaltet ist. Beinhaltet
sie keine verbindlichen Regelungen zur
Ermittlung der „regelmäßigen Arbeitsstätte“
im bisherigen steuerrechtlichen Sinn, die
für die Ermittlung der ersten Tätigkeitsstätte
herangezogen werden können, kann der
Arbeitgeber die erste Tätigkeitsstätte (wie
beschrieben) gegebenenfalls kraft Direkti-
onsrechts festlegen. Enthält die Betriebs-
vereinbarung dagegen Regelungen zur
„regelmäßigen Arbeitsstätte“ und sind diese
mit dem neuen Recht nicht in Einklang zu
bringen, sollten mit dem Betriebsratsgremi-
um Verhandlungen aufgenommen werden,
um die Vereinbarung der absehbaren Rechts-
lage anzupassen. Dabei sind neben dem In-
halt der Betriebsvereinbarung deren Laufzeit
und die Chancen einer Einigung mit dem
Betriebsratsgremium zu berücksichtigen.
Thomas Niklas
und
Dr. Benjamin
Ittmann
sind Fach-
anwälte für Arbeits-
recht in der Kanzlei
Küttner Rechtsanwälte
Köln.