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personalmagazin 07 / 13
Organisation
_guTSCHEINE
I
n der betrieblichen Praxis werden
Gutscheine meist ohne arbeitsver-
tragliche Vereinbarung der gesam-
ten Belegschaft gewährt. Doch das
ist gefährlich – Arbeitnehmer können
aufgrund wiederholter Gewährung ei-
nen vertraglichen Anspruch aus betrieb-
licher Übung erwerben. Die Gewährung
von Gutscheinen sollte deshalb stets ar-
beitsvertraglich geregelt und gegebenen-
falls unter Widerrufsvorbehalt gestellt
werden. Dabei müssen die Gründe für
den Widerruf konkret benannt werden.
Als wirtschaftliche Gründe kommen
zum Beispiel Gewinnrückgang, Nichter-
reichen der prognostizierten wirtschaft-
lichen Entwicklung und Ähnliches in
Betracht. Ebenso kann auch der Wegfall
der Steuer- und/oder Sozialversiche-
rungsfreiheit bei der Gewährung vonGut-
scheinen als Widerrufsgrund vereinbart
werden. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der
das Entstehen einer betrieblichen Übung
von vornherein ausschließen würde, ist
nach der neueren Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts nicht zulässig,
wenn die Gutscheine als Teil der regu-
lären Vergütung, das heißt als Gegenleis­
tung für die erbrachte Arbeitsleistung,
gewährt werden.
Einzelregelungen zur Gewährung
Da der Tarifvorbehalt nach § 77 Absatz
3 BetrVG Betriebsvereinbarungen über
Arbeitsentgelte regelmäßig verbietet,
können die Voraussetzungen der Gewäh-
rung von Gutscheinen grundsätzlich nur
in einer Betriebsvereinbarung geregelt
Von
Thomas Niklas
und
Benjamin Ittmann
werden, wenn sie als Incentives, also als
freiwillige Leistung des Arbeitgebers, ge-
währt werden. Der Vorteil einer solchen
Betriebsvereinbarung liegt neben den
weitreichenden
Regelungsmöglichkei-
ten darin, dass diese ohne Nachwirkung
gekündigt werden kann. Aus welchem
Grund sich der Arbeitgeber hierzu ent-
scheidet, spielt dann keine Rolle. Beachtet
werden sollte, dass die Gewährung von
Gutscheinen nicht mit anderen Vergü-
tungsbestandteilen in der Betriebsverein-
barung gemeinsam geregelt wird, son-
dern alleiniger Regelungsgegenstand ist.
Ansonsten besteht die Gefahr, dass die
Betriebsvereinbarung trotz der grund-
sätzlichen Freiwilligkeit der Leistung
nachwirkt, wenn die Gewährung der Gut-
scheine als Teil eines Gesamtvergütungs-
systems angesehen wird.
Besteht kein Betriebsrat, sollte die Ge-
währung von Gutscheinen als Incentive
ebenfalls ausdrücklich arbeitsvertraglich
geregelt werden. Anders als bei der Ge-
währung von Gutscheinen als Teil der re-
gulären Vergütung kann die Gewährung
als (unregelmäßiges) Incentive jedoch
nicht nur mit einemWiderrufsvorbehalt,
sondern – alternativ – auch unter einen
Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden.
Dieser sollte bei jeder Gewährung erneut
erklärt werden.
Rechtliche Risiken vermeiden
Anleitung.
Wer Gutscheine nutzen will, sollte arbeitsrechtliche wie wirtschaftliche
Risiken möglichst gering halten. Das geht mit den richtigen Vereinbarungen.
Haftet der Arbeitgeber, wenn Gutscheine nicht eingelöst werden? Die Frage hat leider
realen Hintergrund: Zum 1. Mai 2013 hat die Firma Maxchoice Insolvenz angemeldet.
Führt man sich vor Augen, dass ein Gutschein in der Regel drei Jahre lang gültig ist, wird
man auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers annehmen müssen, binnen dieser drei
Jahre für die Einlösungsmöglichkeit einzustehen, soweit der Gutschein Teil der Vergütung
war. Wird die Leistung, wie im Fall einer Insolvenz unmöglich, wird der Arbeitgeber zwar
nach § 275 Absatz 1 BGB von der Leistungspflicht befreit, er ist aber dem Arbeitnehmer
gegebenenfalls zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Das ist
zumindest immer dann anzunehmen, wenn eine Auslegung der Regelungen über die
Gewährung der Gutscheine ergibt, dass der Arbeitgeber für den Erfolg einstehen will. ­
Der Arbeitgeber selbst ist dann auf insolvenzrechtliche Ansprüche verwiesen, um insoweit
bereits geleistete Zahlungen an den Gutscheinanbieter gegebenenfalls zurückzuerhalten.
Insolvenz des Gutscheinanbieters
Praxisbeispiel
Aktuell
Thomas Niklas
ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Küttner Rechts-
anwälte.
Dr. Benjamin Ittmann
ist Rechts-
anwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht,
Küttner Rechtsanwälte.