Seite 30 - personalmagazin_2013_07

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Management
_Unternehmenskultur
personalmagazin 07 / 13
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avid Cole, Chief Risk Officer
beim Schweizer Rückversiche-
rer Swiss Re, hat vor Kurzem
in einem Vortrag erklärt, dass
in seinem Unternehmen die Zeiten der
Anwesenheit denen der Resultate wei-
chen werden. Zu hoch sei das Risiko,
künftige Talentgenerationen zu verlie-
ren, wenn die Unternehmenskultur die
unterschiedlichen Lebensmodelle der
Mitarbeiter nicht unterstützen könne.
Marissa Mayer, neue CEO bei Yahoo,
schreibt hingegen ab sofort wieder An-
wesenheit im Yahoo-Großraumbüro vor.
Jede Art von Homeoffice oder Telearbeit
soll dort beendet werden. Im internen
Yahoo-HR-Memo klingt das so: „Um der
absolut beste Arbeitsplatz zu werden,
sind Kommunikation und Kollaboration
die wichtigsten Elemente. Daher müssen
wir Seite an Seite arbeiten. Ergo ist es
unerlässlich, dass wir alle im Büro an-
wesend sind. Einige der besten Entschei-
dungen und Einfälle entstehen auf dem
Gang, in Kantinengesprächen, durch das
Kennenlernen neuer Kollegen und Ad-
hoc-Team-Meetings.“
Ein konservativer Schweizer Rückver-
sicherungsgigant spricht von Mitunter-
nehmertum, das Arbeiten von überall
und zu jeder Zeit ermöglichen will, wäh-
rend eine hippe Silicon-Valley-Firma of-
fenbar das Rad der Zeit zurückdreht.
Und nicht nur Marissa Mayer scheint
diese neue Marschrichtung einzuschla-
gen. Mitläufer haben sich schnell gefun-
den: zumBeispiel das Unternehmen Best
Buy, ein Anbieter von Unterhaltungs­
Von
Angela Maus
elektronik. Matt Furman, Pressespre-
cher von Best Buy, erklärt dazu in der
Zeitung „Minneapolis Star Tribune“: „Es
macht Sinn, nicht nur auf die Resultate
zu schauen, sondern auch zu sehen, wie
die Arbeit erledigt wird. Kurzum: Anwe-
senheit ist auch das neue alte Motto von
Best Buy. Das bedeutet, Mitarbeiter so
oft wie möglich im Büro zu haben, um
miteinander zu arbeiten und sich zu ver-
netzen, um neue Wege zu finden, unser
Geschäft zu verbessern.“
Keine gute Talentwerbung
Wohin führt der Weg von Yahoo und
Best Buy? Zurück zur Stechuhr? Wie
funktioniert dann die globale Zusam-
menarbeit? Wie kann Yahoo authentisch
Yahoo-Mitarbeiter? Anwesend!
meinung.
Bei Yahoo gilt nun Anwesenheitspflicht für alle. Diese Vorgabe hat eine De-
batte um Mitunternehmertum, Vertrauen und Kontrolle in der HR-Szene losgetreten.
Als Arbeitgeber, der selbst „Rowe“ („Results
Only Work Environment“) im Jahr 2008 in
seinem Unternehmen eingeführt hat, denke
ich persönlich, dass Yahoo einen großen
Fehler macht. Es ist zu leicht, lediglich nicht
funktionierende Homeoffice-Regeln für
Probleme im Unternehmen verantwortlich
zu machen.
Aus meiner Sicht gestalten Manager die
Umwelt in einem Unternehmen. Sie bestim-
men die Regeln und sind das lebende Bei-
spiel. Darüber hinaus müssen sie in Kontakt
mit ihren Kollegen und Teams bleiben, um
Ergebnisse bitten, aufmerksam beobach-
ten sowie überprüfen, ob Ergebnisse wie
gewünscht geliefert wurden.
Zwischen mir und meiner Mannschaft
besteht eine klare Abmachung darüber, was
„Rowe“ am Leben hält: Kein Ergebnis – kein
Job. Dafür genießen wir alle im Unterneh-
men die Freiheiten von „Rowe“. Jeder neue
Mitarbeiter bekommt diese Einstellung und
die dazugehörigen Bedingungen während
der ersten Wochen im Unternehmen ver-
mittelt. Wenn die angestrebten Ergebnisse
ausbleiben, ist es einfach, herauszufinden,
wer liefert und wer nicht.
Definitiv ist „Rowe“ kein System, das
kollektive Bestrafungen und Beschneidung
von Freiheiten unterstützt. Der Geist dieser
Managementmethode verlangt stattdessen
von Führungskräften, die Zeit zu investie-
ren, Missbrauchsfälle und Vertrauensbrüche
gründlich zu durchleuchten, zu verstehen, zu
hinterfragen und zielgenau zu adressieren.
Doch sind wir ehrlich, dann müssen wir uns
fragen, ob wir Manager unsere Haushalts-
pflichten ernst nehmen oder ob wir nicht
Teil des Problems sind. Für mich ist das
Problem bei Yahoo daher vor allem ein
Als „Rowe“ verloren ging
Kommentar
Marissa Mayer muss aufgrund der neuen Anwesenheitspflicht Kritik hinnehmen, die auch
sie selbst als Führungskraft trifft. Denn sie scheint die Prinzipien von „Rowe“ nicht als
Teil ihrer Firmen- und Führungskultur zu sehen, wie Jan Haines aufzeigt.