Seite 60 - personalmagazin_2013_08

Basic HTML-Version

60
Recht
_Betriebsratswahlen
personalmagazin 08 / 13
Einigung herbeizuführen, die für beide
Wahlvorstände gleichermaßen gilt. Kön-
nen sich die beiden Wahlvorstände nicht
einigen, so ist ein Vermittler hinzuzu-
ziehen. Vermittler im Sinne des § 18a
BetrVG kann jedoch nur eine im Betrieb
oder zumindest im Konzern angestellte
Person sein. Können sich die Wahlvor-
stände nicht auf die Person des Vermitt-
lers einigen, so entscheidet letztlich das
Los.
Für die Fälle, in denen Betriebsrat
und Sprecherausschuss nicht gleichzei-
tig gewählt werden, sieht § 18a BetrVG
vor, dass der Wahlvorstand für die Wahl
zum Betriebsrat sich mit dem Sprecher-
ausschuss ins Benehmen zu setzen hat.
Im Übrigen gilt das zuvor beschriebene
Verfahren entsprechend.
Mehrfachbeschäftigte, Sonderfälle
Arbeitnehmer, die – etwa in Teilzeitar-
beitsverhältnissen – in mehreren Betrie-
ben tätig sind, sind ebenfalls aktiv wie
passiv wahlberechtigt. Sie sind sogar
gegebenenfalls in mehreren Betrieben
(aktiv wie passiv) wahlberechtigt. Auch
Außendienst- oder Telearbeitnehmer
werden dem Betrieb zugerechnet und
sind daher aktiv wie passiv wahlberech-
tigt – auch mehrfach, wenn sie mehre-
ren Betrieben zugerechnet werden.
Bei ins Ausland entsandten Arbeit-
nehmern hängt die Wahlberechtigung
davon ab, ob diese weiterhin in den Ent-
sendebetrieb eingegliedert bleiben. Dies
ist regelmäßig der Fall, wenn die entsand-
ten Arbeitnehmer in keine betriebliche
Organisation im Ausland eingegliedert
werden (etwa bei Montagearbeitern).
Auch in den Fällen, in denen der ent-
sandte Arbeitnehmer im Ausland in eine
bestehende betriebliche Organisation ein-
gegliedert wird, kann seine Eingliederung
zum entsendenden Betrieb bestehen blei-
ben, beispielsweise wenn die Entsendung
nur von zeitlich beschränkter Natur ist.
Gekündigten Arbeitnehmern steht
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist in
jedem Fall das aktive wie passive Wahl-
recht – unabhängig von einer etwaigen
Schon bei den Fristen (zum Beispiel Aus-
hangfrist, Öffnungszeit des Wahllokals et
cetera) ist die Rechtslage unklar, und es fin-
den sich dazu unterschiedliche Entscheidun-
gen der Gerichte; zumeist wird hinsichtlich
des Endes der Fristen auf „betriebsübliche
Arbeitszeiten“ verwiesen. Aber wenn in
einem Betrieb zum Beispiel Vertrauensar-
beitszeit eingeführt ist, wie ist diese dann
zu bestimmen? Was spräche denn dagegen,
wenn der Gesetzgeber in die Wahlordnung
eine Uhrzeit schriebe – Rechtsklarheit um
den Preis von drei Worten, etwa „Fristende
ist 16 Uhr“?
Eine der größten offenen Flanken ist sicher
die Feststellung des Arbeitnehmerbegrifffs
in § 5 BetrVG – dies auch aufgrund der
Verwechslungsgefahr mit § 14 Kündigungs-
schutzgesetz. Wer immer seiner Geschäfts-
leitung verdeutlichen musste, dass es hier
erhebliche Unterschiede gibt, weiß, von
welchem Kopfschütteln ich spreche. Was
heißt schon „Prokura nicht unbedeutend“
oder welche Aufgaben sind (wirklich) „für
Bestand und Entwicklung des Unterneh-
mens von Bedeutung“? Härtere Abgren-
zungskriterien wünscht sich hier jeder, der
schon einmal das zweifelhafte Vergnügen
eines Statusfeststellungsverfahrens hatte.
Die Regelung zur Wahlberechtigung von
Leiharbeitnehmern stellt schlicht ein prakti-
sches Problem dar, vor allem bei der Progno-
se von kurzfristig eingetretenen Leiharbeit-
nehmern. Hier ist zu entscheiden, ob diese
gegebenenfalls auch über den Wahlzeitpunkt
hinaus insgesamt drei Monate beschäftigt
sein werden. Jeder Personalcontroller, der
diesen Zahlen hinterherläuft, kann gut und
gerne bestätigen, dass das Nachhalten der
„richtigen“ Liste bei Gesetzesbegründungen
den Satz rechtfertigen würde: „Belastungen
für die Wirtschaft: erheblich“. Eine klare
„Wir wollen vor allem Klarheit“
Praktikerstimme
Welche Meinung haben Praktiker aus den Unternehmen zu arbeitsrechtlichen Fallgestaltun-
gen? Die Betriebsratswahl, so die Erfahrung von Alexander Zumkeller, ist die komplizierteste
Wahl, die es im deutschen Wahlrecht gibt. Er wünscht sich kleine, aber wirksame Änderungen.
Regelung, etwa eine Stichtagsregelung,
würde zu einer ganz erheblichen Entlastung
an dieser Stelle führen.
Schließlich die letzte Hausaufgabe des
BAG an uns Praktiker: Es fehlt eine klare
„Bedienungsanleitung“, was „in der Regel
Beschäftigte“ sind. Was spricht dagegen,
dass uns das BAG dafür eine Leitlinie gibt,
etwa – ohne zu reklamieren, dass dies die
beste aller Ideen wäre – das arithmetische
Mittel über das Kalenderjahr hinweg. Im
Sinne der Klarheit, Entbürokratisierung und
Vereinfachung wäre derlei wünschenswert.
Was wir in der Praxis wollen, ist vor allem
eines: Klarheit. Wenn der Gesetzgeber,
wenn die Gerichte entscheiden, dann
muss das Ergebnis umsetzbar sein – ohne
zu große Fragen offenzulassen. Das bringt
Rechtsfrieden und das fördert die kons-
truktive Zusammenarbeit zwischen den
Betriebspartnern.
Alexander R.
Zumkeller
ist
Arbeitsrechtler bei der
ABB AG und Präsident
des Bundesverbands
der Arbeitsrechtler in
Unternehmen (BVAU).