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recht
_Datenschutz
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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
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enn es einen Preis für das
längste Gesetzgebungsver-
fahren gäbe, so hätte das
Beschäftigtendatenschutz-
gesetz beste Chancen auf einen der vor-
deren Plätze. Wir erinnern uns: Gleich
nach der Bundestagswahl 2009 legte
die derzeitige Regierungskoalition aus
CDU und FDP in ihrem Koalitionspapier
fest: „Wir werden den Arbeitnehmerda-
tenschutz in einem eigenen Kapitel im
Bundesdatenschutzgesetz ausgestalten.“
Dass ein solches Gesetz dringend ge-
braucht wird, um endlich Rechtssicher-
heit zum brisanten Thema „Datenschutz
im Betrieb“ zu bekommen, war seiner-
zeit unbestritten, denn was bis dahin
an gesetzlichen Regelungen bestand
und heute noch geltendes Recht ist, war
und ist eine „Minimallösung“, die aus
einem einzigen Paragrafen (§ 32 BDSG)
besteht.
Mit einer solchen Minimallösung, so
die damalige einhellige Meinung, kann
man den komplexen Problemen des be-
trieblichen Datenschutzes nicht begeg-
nen. Auch Arbeitsrechtler wiesen immer
wieder auf die Unzulänglichkeit der be-
Von
Thomas Muschiol
(Red.)
stehenden Gesetzeslage hin. Allen voran
der renommierte Bonner Arbeitsrecht-
ler Professor Gregor Thüsing, der 2009
die Lage im betrieblichen Datenschutz
in folgende Worte kleidete: „Weil we-
sentliche Fragen ungelöst bleiben und
weil man stattdessen einen ,Eyecatcher‘
gesetzgeberischen Handelns schuf, ein
funktionsloses Schaustück des Reform-
willens, harren wichtige Aufgaben des
Arbeitnehmerdatenschutzes in Gesetz-
gebung und Rechtsprechung weiterhin
der Bewältigung. Warten wir ab.“ Nicht
nur Thüsing, sondern die gesamte Fach-
welt wartete allerdings vergebens, denn
es folgte eine Gesetzgebungsodyssee oh-
negleichen. Nach monatelanger Diskus-
sion folgte Entwurf auf Entwurf, bis das
Ganze nach der öffentlichen Anhörung
von Sachverständigen in einem Aus-
schuss steckenblieb.
Der Chorauftritt zeigte Wirkung
Ein letztes Aufbäumen der Regierungs-
koalition mit dem Ziel, das Gesetz doch
noch innerhalb einer Legislaturperiode
zu Ende zu bringen, erfolgte dann An-
fang 2013. Überraschend wurde das
Thema „Beschäftigtendatenschutz“ auf
die Tagesordnung des Bundestags ge-
setzt. Statt Lob dafür zu ernten, dass
es jetzt endlich weitergeht, ernteten
die Politiker aber plötzlich harschen
Protest. Sie hatten offensichtlich ver-
drängt, dass während der langen Lauf-
zeit des Gesetzgebungsverfahrens das
Thema „Videoüberwachung“ stark in
den Fokus der Öffentlichkeit geraten
war. Dabei hatte sich die Regierungs-
koalition eifrig bemüht, diesen Bereich,
Adieu Beschäftigtendatenschutz
gesetzgebung.
Eine ganze Legislaturperiode lang versuchte die Regierungskoalition,
ein dringend benötigtes Gesetz zu verabschieden. Jetzt scheiterte ein letzter Versuch.
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der bisher gesetzlich nicht geregelt ist,
interessengerecht auszugleichen. Den
Gewerkschaften war man mit einem
absoluten Verbot der heimlichen Kame-
raüberwachung entgegenkommen. Für
eine offene Videoüberwachung ging
man dagegen den gegenteiligen Weg
und gestaltete diese großzügiger, als es
der bisherigen Bewertung durch die Ar-
beitsgerichte entspricht.
Die Folge war ein konzertierter
Protest von Gewerkschaften und Ar-
beitgeberverbänden. So protestierten
Erstere gegen eine „flächendeckende of-
fene Video­überwachung“, während die
Arbeitgeberverbände das ausnahmslose
Verbot heimlicher Videoüberwachung
als praxisfremd und verfassungswid-
rig geißelten. Beide Seiten wollten sich
dabei nicht mehr an die Notwendigkeit
des Gesetzes erinnern, sondern teilten
unisono die Auffassung, dass man gar
kein Gesetz brauche, da die Rechtspre-
chung die Videoüberwachung ausrei-
chend und interessengerecht eingrenze.
Eine Argumentation, zu der die FAZ tref-
fend bemerkte: „Gewerkschaften singen
gemeinsam mit Arbeitgebern im Chor:
Lieber kein Gesetz als dieses.“ Der Chor-
auftritt zeigte Wirkung und das Geset-
zesvorhaben wurde kommentarlos von
der Tagesordnung gestrichen.
Wie geht es weiter? Im Jahr 2013 sind
Bundestagswahlen, nach denen es unab-
hängig vom Wahlausgang für laufende
Gesetzgebungsverfahren heißt: „Zurück
auf null.“ Eine Situation, zu der Thüsing
ungewohnt resigniert feststellt: „Es ist
schade, dass man zum Schluss dann
doch nicht den Mut gefunden hat.“
Muster
Verpflichtung von Mitarbeitern auf
das Datengeheimnis (HI952931).
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