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recht
_betriebsbedingte Kündigung
personalmagazin 11 / 13
den, dass Weiterbeschäftigungsmöglich-
keiten in einem ausländischen Betrieb
nicht angeboten werden müssen und ei-
ne entsprechende Änderungskündigung
nicht als milderes Mittel ausgesprochen
werden muss. Anders hatte dies noch das
Landesarbeitsgericht Hamburg in seiner
Entscheidung vom 22.3.2011, 1 Sa 2/11,
gesehen und entschieden, dass eine zu-
mutbare Weiterbeschäftigung auf einem
Arbeitsplatz in einem ausländischen Be-
trieb des Arbeitgebers der sozialen Recht-
fertigung aus dringenden betrieblichen
Erfordernissen entgegensteht.
Die Bestätigung des betriebsverfas-
sungsrechtlichen Betriebsbegriffs
Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits
mit seinem Urteil vom 17.1.2008, 2 AZR
883/07, im Hinblick auf § 23 KSchG
entschieden, dass der Betriebsbegriff
betriebsverfassungsrechtlich
geprägt
und der erste Abschnitt des Kündigungs-
schutzgesetzes damit nur für in Deutsch-
land gelegene Betriebe anwendbar ist.
Diese Rechtsprechung hatte das Bundes-
arbeitsgericht auch mit der Entscheidung
vom 26.3.2009, 2 AZR 883/07, erneut
bestätigt. Das Kündigungsschutzrecht sei
historisch im Betriebsverfassungsgesetz
verankert und daher der Betriebsbegriff
des Betriebsverfassungsgesetzes zugrun-
de zu legen. Mit dem Begriff „Betrieb“
habe der Gesetzgeber des Kündigungs-
schutzgesetzes einen im Betriebsverfas-
sungsrecht feststehenden Rechtsbegriff
gewählt und diesen auch beibehalten
wollen. Nach wie vor enthalte das Kündi-
gungsschutzrecht Bezüge zum Betriebs-
verfassungsrecht und Personalvertre-
tungsrecht. Der Gesetzgeber habe § 23
KSchG auch mehrfach geändert, jedoch
in Kenntnis der Rechtsprechung des BAG
zum innerdeutschen Betriebsbegriff kei-
ne Änderung vorgenommen. Auch aus
dem systematischen Zusammenhang von
§ 23 KSchG werde deutlich, dass der An-
wendungsbereich auf deutsche Betriebe
beschränkt sei. In § 24 KSchG habe der
Gesetzgeber gerade Sonderregelungen
für einen Auslandsbezug geregelt. Dies
wäre nicht erforderlich,wenn § 23 KSchG
auch Auslandsbetriebe erfasse. Sei der
Betriebsbegriff des § 23 KSchG jedoch
auf inländische Betriebe beschränkt,
müsse dies in gleicher Weise für den Be-
triebsbegriff in § 1 Abs. 2 KSchG gelten,
da davon auszugehen ist, dass der Be-
triebsbegriff im gesamten KSchG einheit-
lich gebraucht werde.
Dies hatte auch das Landesarbeitsge-
richt Hamburg so gesehen, sich aber in
bewusster Distanzierung von der An-
sicht des Bundesarbeitsgerichts für eine
Auslegung des Betriebsbegriffs im Kün-
digungsschutzgesetz entschieden, die
ausländische Betriebe mit einbezieht.
Das Landesarbeitsgericht Hamburg
argumentierte, die Beschränkung des
Betriebsbegriffs auf Deutschland ergä-
be sich nicht aus dem Gesetzestext und
sei auch aus dem Sinn und Zweck nicht
herzuleiten. Der Kündigungsschutz
habe durch die Herausnahme aus dem
Betriebsverfassungsgesetz gerade ver-
selbstständigt werden sollen. Ein an-
derer freier Arbeitsplatz könne heute
überall auf der Welt liegen, auch wenn
der damalige Gesetzgeber dies damals
nicht bedacht habe. Daher sei zumindest
in jedem Einzelfall zu prüfen, ob das An-
bieten des Arbeitsplatzes im Ausland für
Fachbeitrag
Voraussetzungen für die be-
triebsbedingte Kündigung (HI515610)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE
Der Einsatz von Leiharbeitnehmern bleibt risikobehaftet. Unternehmen sollten daher
folgende Grundsätze bei ihren strategischen Entscheidungen berücksichtigen.
Letztlich hat die Entscheidung des BAG vom 15.12.2011, 2 AZR R 42, das Risiko der
Unwirksamkeit von betriebsbedingten Kündigungen gegenüber betriebseigenen Arbeit-
nehmern erhöht, wenn Leiharbeitnehmer dauerhaft eingesetzt werden. Bis zum Vorlie-
gen einer diesbezüglichen eindeutigen BAG-Entscheidung verbleiben Arbeitgebern – je
nach rechtlicher Risikobereitschaft – jedoch eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten,
die Personalabbaumaßnahme erfolgreich umzusetzen.
•
Abbau der Leiharbeit vor Kündigung eigener Arbeitnehmer
•
vorübergehender Abbau von Leiharbeitnehmern, Personalreduktion von eigenen
Arbeitnehmern und anschließende Aufstockung von Leiharbeitnehmern
•
Einsatz von Leiharbeitnehmern ausschließlich und nachweisbar zur Abdeckung von
Auftragsspitzen und Vertretungsbedarf
•
Personalabbau eigener Arbeitnehmer unter konsequenter Stützung auf eine nach-
weisbare konzeptionelle Unternehmerentscheidung bezüglich des Leiharbeitneh-
mereinsatzes unter Inkaufnahme des oben dargestellten rechtlichen Risikos bei den
betriebsbedingten Kündigungen und – sofern nicht eine adäquate gütliche Einigung
mit dem eigenen Mitarbeiter bei Gericht erreicht werden kann – Durchfechtung einer
Grundsatzentscheidung beim Bundesarbeitsgericht, gegebenenfalls sogar beim Bun-
desverfassungsgericht.
Personalabbau und Leiharbeitnehmer
Praxisbeispiel
Gestaltung