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Recht
_Urteilsdienst
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Auch beim Kaffeetrinken können Arbeitsunfälle passieren
Versicherungsschutz in der gesetzli-
chen Unfallversicherung gibt es immer
dann nicht, wenn eine „eigenwirtschaft-
liche Tätigkeit“ vorliegt. Paradefall ist
die Nahrungsaufnahme, die eigentlich
teil des LSG Saarland. Darin wird einer
Taxi­fahrerin Versicherungsschutz in
der gesetzlichen Unfallversicherung
zugebilligt, weil sie zur Überbrückung
einer Wartezeit ein Café aufgesucht hat.
einschließlich der entsprechenden
Wege zur Gaststätte oder Kantine die
Annahme eines Arbeitsunfalls aus-
schließt. Dass es davon immer wieder
Ausnahmen geben kann, zeigt ein Ur-
Urteil des monats
Das Urteil zeigt wieder einmal deutlich auf, dass sich über die
Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, trefflich streiten lässt. Auf den
ersten Blick beschreibt der Sachverhalt der Klage eine Situation, die
schulbuchmäßig der sogenannten unversicherten Privatsphäre zuzu-
ordnen ist. So hatte die Taxifahrerin ihr Fahrzeug verlassen und war
in Richtung Café enteilt. Spätestens mit dem Durchschreiten der Ein-
gangstür zum Café, so die Rechtsprechung zum Unfallversicherungs-
recht, beginnt diese Privatsphäre und damit wäre das Kaffeetrinken
dem privaten und damit unversicherten Lebensbereich zuzurechnen.
So sah dies auch das Sozialgericht in der ersten Instanz, welches
sogar schon im Zurücklegen des gesamten Wegs zum Café und des
entsprechenden Rückwegs eine private, nicht versicherte Tätigkeit
annahm.
Anders jedoch das Landessozialgericht, das darauf abstellte, dass
nicht der Kaffeedurst allein die Taxifahrerin ins Café getrieben hatte,
sondern ihr Handeln davon bestimmt gewesen sei, die Wartezeit auf
einen verspäteten Fahrgast zu überbrücken. Längere Wartezeiten
von 20 bis 25 Minuten, der Weg zum Café und natürlich das Kaf-
feetrinken selbst seien ein übliches Verhalten, um die Wartezeit als
taxifahrerspezifischen Zeitraum zu überbrücken. Das habe sich im
entschiedenen Fall auch dadurch bestätigt, dass andere Taxifahrer
Spitzabrechnung
Zusammenfassung
Es besteht kein allgemeiner Rechtssatz,
wonach die Zuweisung von Arbeitseinsätzen von weniger als einer
Stunde unzulässig ist. Die Möglichkeit einer so genannten „Spitzab-
rechnung“ muss sich jedoch arbeitsvertraglich ergeben.
Relevanz
Das LAG hat klargestellt, dass bei Verträgen, die auf
Stundenbasis vereinbart werden, auch eine Spitzabrechnung un-
terhalb einer vollen Stunde möglich ist. Allerdings muss sich dies
ausreichend aus Vertrag und Umständen ergeben. Im vorliegenden
Fall wurde lediglich formuliert, dass ein „stundenweiser Einsatz“
vorgesehen ist. Eine solche Formulierung, so die LAG-Richter, reicht
für die Rechtfertigung einer Spitzabrechnung nicht aus, sodass jeder
einzelne Arbeitseinsatz in vollen Stunden abzurechnen war.
elektronische Signatur
Zusammenfassung
Ein Arbeitgeber kann von seinem Arbeit-
nehmer die Beantragung und Nutzung einer qualifizierten elek-
tronischen Signatur verlangen, wenn dies für die Erbringung der
Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist.
relevanz
Immer mehr Unternehmen wickeln Teile ihrer Geschäfts-
tätigkeit über internetbasierte Vertragsbeziehungen ab. Oftmals ist
dies nur mit einer Zertifizierung möglich, bei der über eine Personal-
ausweisnummer die Identität des Vertragspartners festgestellt wird.
Das Bundesarbeitsgericht sieht in der Anweisung an Arbeitnehmer,
eine solche Zertifizierung vorzunehmen, keinen Verstoß gegen das
informationelle Selbstbestimmungsrecht. Diese sei vielmehr vom
Weisungsrecht nach § 106 GewO gedeckt.
ebenfalls an dem Tisch, der als Taxistammtisch bezeichnet wurde,
saßen und ebenfalls auf Fahrgäste warteten. Bei wertender Betrach-
tung habe die Taxifahrerin daher das Café vorrangig deshalb aufge-
sucht, um eine notwendige Wartezeit sinnvoll zu überbrücken, und
nicht, um ihr Grundbedürfnis nach Nahrungsaufnahme zu stillen.
Bei Taxifahrern gehört die Kaffeepause zur Arbeit und ist versichert.
Quelle
LSG Saarland, Urteil vom 28.8.2013, Az. L 2 U 1/13
Quelle
BAG, Urteil vom 25.9.2013, Az. 10 AZR 270/12
Quelle
LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.7.2013, Az. 11 Sa 142/13