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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
an, das in den vergangenen Jahren sehr
viele Prozesse digitalisiert hat.
Neue Instrumente für das HRM
Die digitalen HR-Instrumente nutzen
die Vorteile der Digitalisierung: (ört-
liche und zeitliche) Unabhängigkeit,
Vernetzung und Visualisierung. Weil
durch sie bessere Entscheidungs- und
Reflexionsgrundlagen für Individuum,
Team und Management entstehen, kann
das HRM auch seine Wirkung erhöhen.
Will sich die Personalabteilung aus der
Opferrolle lösen, kann sie selbst die Ini
tiative ergreifen und die bestehenden
Instrumente stärker digitalisieren. Feh-
len die Kompetenzen im Unternehmen,
empfiehlt es sich, mit einem externen
Partner zusammenzuarbeiten. Dabei er-
scheinen kleine Pilotprojekte sinnvoller
als eine sofortige radikale Digitalisie-
rung. Drei mögliche Instrumente wer-
den exemplarisch vorgestellt:
Mitarbeiterbefragungen 2.0 werden
stärker mit der Organisationsentwick-
lung, demHR-Controlling, Teamentwick-
lung und Personalbeurteilung verknüpft
sein. Auf Basis ihrer Bewertungen erhal-
ten die Teilnehmenden eine persönliche
Auswertung mit Reflexionsfragen, die
bei der Interpretation der Ergebnisse
helfen. Die individuell gemachten Ver-
besserungsvorschläge werden Teil des
Innovationsmanagements. Die ganze
Belegschaft kann so beispielsweise ge-
machte Verbesserungsvorschläge im
Sinne der Schwarmintelligenz bewer-
ten. Auf aggregierter Ebene können
Daten auf handlungsanleitende Art und
Weise visualisiert werden. Sie werden
Teil der HR Big Data, die neues Wissen
über das Unternehmen sichtbar machen.
Das Unternehmen erkennt, bei welchen
Gruppen welche Probleme bestehen,
und kann so gezielter intervenieren.
Beim Data Mining sammelt die Perso-
nalabteilung personenbezogene Daten
der Mitarbeiter und nutzt diese für die
Entscheidungsfindung in Bezug auf die
Rekrutierung, die Beförderung, die Per-
sonalplanung oder die Zusammenstel-
lung von Teams. Dabei geht es neben den
Stammdaten auch um die Daten, die in
der HR-Arbeit anfallen, konkret um Be-
werbungen, Mitarbeiterqualifikationen
und 360-Grad-Feedbacks. Zu den Daten-
sätzen der Mitarbeitenden gehören aber
auch alle Daten, welche bei der täglichen
Arbeit hinterlassen werden. Hier ste-
hen bearbeitete Dokumente, verschick-
te E-Mails, Social-Media-Beiträge und
besuchte Homepages im Vordergrund.
Dieses Wissen können Unternehmen nut-
zen, um zum Beispiel ihre Aufbauorgani-
sation den Wissensflüssen anzupassen,
Themenexperten, Talente oder Burnout-
Gefährdungen zu erkennen.
Crowd Innovation schließlich bezeich-
net die Nutzung von unternehmens
externem Wissen, um Produkt- und
Prozessinnovationen zu generieren. Kun-
den kennen die Produkte und Prozesse
häufig besser als die Mitarbeiter selbst.
So kreieren zum Beispiel die Kunden des
Schweizer Lebensmittelhändlers Migros
jährliche neue Chips, wobei der Sieger
amUmsatz der Chips beteiligt wird. Aber
auch globale Konzerne wie Starbucks
oder Lego haben längst erkannt, welches
Humankapital und welches Innovations-
potenzial ihre Kunden besitzen. In Zu-
kunft wird es darum gehen, die Grenzen
der Organisation zu öffnen und dieses
Humankapital stärker mit jenem der Mit-
arbeitenden zu kombinieren.
HR inmitten von Veränderungen
Die Digitalisierung lässt sich nicht rück-
gängig machen. Neue Geräte wie die
I-Watch oder die Google-Brille werden
dazu führen, dass noch mehr unserer
Zeit digital unterstützt ist. Das wird
nicht spurlos am HRM, konkret am Wis-
sens-, Personal- und Datenmanagement
vorbeigehen. Ignoriert die Personal-
abteilung, dass das Unternehmen nun
doppelt existiert – in der analogen und
in der digitalen Welt –, so wird sie durch
jene Abteilungen unter Druck geraten,
welche diesen Wandel bereits verstan-
den haben. Das Marketing, die IT, das
Controlling sowie die Forschung und
Entwicklung sind IT-affiner und wagen
sich in der Rekrutierung, Bewertung
und Entwicklung des Humankapitals
immer mehr in jene Bereiche vor, die
früher selbstverständlich der Personal-
abteilung zugestanden wurden.
Die Welt ist digital – hält
HR hier nicht mit, macht
es sich überflüssig.
© Jesus sanz / shutterstock
Dr. JoËl Luc Cachelin
ist Gründer
und Geschäftsführer der Wissensfabrik,
Sankt Gallen, Schweiz.