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Management
_Talentmanagement
personalmagazin 11 / 13
übertragen und einer Wirksamkeitsprü-
fung unterworfen werden.
Wer diese Schritte durchlaufen hat,
sollte im nächsten Schritt des Talentin-
vestitionszyklus die wirtschaftlichen
Vorteile der Maßnahmen berechnen.
Wirtschaftliche Bewertung
Dabei sind strenge Anforderungen zu
stellen. Zu nennen sind hier zuerst
Kennzahlen, die in der Praxis häufig
verwendet werden, jedoch zumeist nur
geringe oder ungenaue Auskunft über
die Wirksamkeit von Talentinvestitio-
nen liefern: Teilnehmerzufriedenheit,
Anzahl Anmeldungen für Kurse, Aus-
lastung der Maßnahmen, Einhaltung
Maßnahmenbudgets, Abbrecherquote.
Dies alles sind Kennzahlen, welche
nichts mit dem eigentlichen Ziel einer
Unternehmung – Geld verdienen – zu
tun haben. Beispiel Vertriebstrainings:
Erfolgreiche Trainings zwingen den
Teilnehmer dazu, bestehende Routinen
zu hinterfragen, und sorgen mit syste-
matischer Verstetigung für die Etab-
lierung neuer Routinen. Sie stellen für
alle Beteiligten harte Arbeit dar und
erhalten oft sehr durchschnittliche Zu-
friedenheitsbewertungen – bewirken
aber dafür eine umso nachhaltigere Ver-
besserung der Vertriebsleistung. Umge-
kehrt erzielen „Motivationsshows“ oft
sehr hohe Zufriedenheitsbewertungen
durch die Teilnehmer, dafür ist ein nach-
haltiger Effekt meist nicht nachweisbar.
Zentral sind die Bestimmung des
durch eine Talentmaßnahme gewon-
nenen Vorteils und dessen Vergleich mit
den Kosten der Maßnahme. In der Pra-
xis hat sich hier der ROT(I) bewährt, der
„Return on Talent Investment“. Dieser
definiert sich aus der Division des (finan-
ziellen) Erfolgs durch die (finanziellen)
Kosten des Talentinvestitionsprozesses.
Er sollte als hauptsächliche Kennzahl
für die Bemühungen des Talentmanage-
ments verwendet werden.
Wie kann der ROT(I) berechnet wer-
den? Ein Ansatzpunkt kann die Be-
rechnung von gesparten Kosten einer
Stellenbesetzung mit höherer strate-
gischer Bedeutung darstellen. Ein großes
deutsches Investmenthaus hatte in der
Vergangenheit praktisch sämtliche offe-
nen strategisch bedeutsamen Stellen ex-
tern besetzt. Im Zuge des Aufbaus eines
gezielten Programms zur Förderung von
„sichtbaren Talenten“ und „allgemeinen
Talenten“ wurden die durch eine interne
Weitervermittlung vermiedenen Kosten
von externen Stellenbesetzungen – teils
bis zu zwei Jahresgehälter – direkt dem
Programm zugeordnet. In Abzug werden
die Kosten der Neubesetzung der aktu-
ellen Stelle gebracht. Zusätzlich sind die
gesparten Kosten durch ein besseres
Matching von Talent und Position sowie
geringere Einarbeitungszeiten und die
damit verbundenen Produktivitätsvor-
teile zu beachten. Bis etwa extern ein-
gestellte Fach- und Führungskräfte zur
vollen Produktivität finden, vergehen in
der Regel drei bis fünf Jahre – laut psy-
chologischer Forschung zum Erwerb von
Expertenwissen die Lernzeit, die für sou-
veränes Erkennen und Lösen komplexer
Probleme benötigt wird. Diese Dauer
kann bei interner Besetzung drastisch
verkürzt werden.
Einen weiteren Ansatz stellen Ver-
änderungen der Fluktuationsrate von
Mitarbeitern gegenüber vergleichbaren
Mitarbeitern ohne Maßnahme dar. Dies
kann zur Verfeinerung von Maßnahmen
dienen. So zeigte eine Analyse bei einer
Schweizer Kantonalbank, dass insbe-
sondere Mitarbeiter, die in den Genuss
von sehr teuren, langwierigen und breit
ausgerichteten Förderprogrammen ka-
men, zum Beispiel einer unterstützten
Masterausbildung, eine massiv erhöhte
Fluktuation gegenüber einer vergleich-
baren Kontrollgruppe und sogar einen
sehr negativen ROT(I) aufwiesen. Ent-
sprechend wurden solche Maßnahmen
radikal zugunsten von stärker zielgerich-
teten und ertragsreicheren Maßnahmen
aufgegeben. Der ROT(I) kann somit auch
zur Kontrolle der eigenen Aktivitäten
eingesetzt werden und dazu beitragen,
wertvernichtende und wertschöpfende
Maßnahmen und Programme klar zu
identifizieren.
Mehr als eine reine Kostenstelle
Es bleibt also festzuhalten: Erfolgreiches
Talentmanagement sollte sich nicht als
Kostenstelle verstehen, sondern be-
wusst eine Orientierung an finanziellen
Effizienzkriterien anstreben. Ein nach
finanziellen Effizienzkriterien ausge-
staltetes Talentmanagement wird in Zu-
kunft an Bedeutung gewinnen. So wird
mit zunehmender Dauer der Anwen-
dung von Konzepten wie dem „Return
on Talent Investment“ auch die Akzep-
tanz von Talentmanagement außerhalb
der Personalabteilung zunehmen.
Dr. Roger Stettler
ist Manager in der
Competence Unit Human Capital der Ma-
nagementberatung ZEB.
Liza Fessner
ist Consultant in der Compe-
tence Unit Human Capital von ZEB.
Der „Return on Talent
Investment“ kann auch
dazu beitragen, wert-
vernichtende und wert-
schöpfende Maßnahmen
und Programme klar zu
identifizieren.
Überblick
Das weite Aufgabenfeld für Per-
sonaler im Talentmanagement (HI2759230)
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