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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
zum nächsten Schritt?). Sonst kann et-
wa der Fall, dass ein Mitarbeiter zwar
hohes Potenzial hat, aktuell aber nicht
für den nächsten Schritt bereitsteht, zum
Beispiel wegen seiner zentralen Rolle in
einem wichtigen Projekt, kaum abgebil-
det werden. Auch hilft die getrennte Be-
trachtung, intensiver über das Potenzial
und die noch notwendigen Schritte, um
dieses auch zu heben, nachzudenken.
Hinsichtlich der Leistungseinschät-
zung sollte diskutiert werden, inwiefern
ein summarischer Wert hier wirklich
dienlich ist. Oftmals wird innerhalb
einer Unternehmung, insbesondere in-
nerhalb eines Konzerngebildes, mit sehr
unterschiedlichen Methoden gearbeitet.
Häufig gibt es kein einheitliches Zielver-
einbarungs- und Leistungsbeurteilungs-
system für alle Mitarbeiter, die in einem
Portfolio abgebildet werden sollen. Un-
klar ist oft auch, wer das Urteil abgibt
– nur die Führungskraft oder mehrere
Beurteilende? Wird das letzte Ergebnis
herangezogen oder der Durchschnitt
über x Jahre? Was ist mit Neueinsteigern
im letzteren Fall?
Potenzial und Performance sind
durchaus wichtige Beurteilungskrite-
rien im Talentmanagementprozess, aber
eben nicht die einzigen. Für die Matrix
eignen sie sich kaum. Das zeigt sich
schon daran, dass man manche Felder
ausgrauen muss – denn ein hoher Po-
tenzialwert, einhergehend mit geringer
Leistung, wird in fast jedem Unterneh-
men von vornherein ausgeschlossen.
Die Achsen sind also nicht unabhängig
voneinander – streng methodisch schon
ein Ausschlusskriterium.
Die Matrix vernachlässigt viele Daten
Der vierte Kritikpunkt besteht in der
Vernachlässigung wichtiger weitere
Mitarbeiterdaten. Wie fließt beispielwei-
se die Kompetenzeinschätzung in den
Talent-Review-Prozess mit ein? Bei zahl-
reichen Anwendern haben Kompetenz-
beurteilungen indirekt Einfluss auf die
Talent-Matrix, denn oftmals wird daraus
ein durchschnittlicher Performance-Wert
Diese schematische Darstellung zeigt, wie eine Talent-Matrix typischerweise aufgebaut
ist. Unterschiede gibt es bei den Achsendimensionen und der Anzahl der Felder.
Talente
Problem
fälle
Quelle: Hölzle
Eine klassische Talent-Matrix
Leistungsträger
mit Potenzial
Potenzialaussage
Performance-Beurteilung
Leistungsträger
Entspricht den
Anforderungen
(noch) nicht
Kein
weiteres
Potenzial
Entspricht den
Anforderungen mit
Einschränkungen
Entspricht den
Anforderungen
Übertrifft die
Anforderungen
Übertrifft die
Anforderungen
deutlich
Nächster
Schritt in
2 bis 3
Jahren
Nächster
Schritt
kurzfristig
Top-
Potenzial
„Fast Track“
gesetzte sind oftmals nicht ausreichend
qualifiziert und informiert, um ein wert-
schätzendes Rückmeldegespräch zu
führen. Viele Unternehmen gehen daher
bereits dazu über, den Kandidaten nicht
mitzuteilen, wo in der Matrix sie denn
liegen. Davon ist dringend abzuraten,
da nach Bundesdatenschutzgesetz ein
Mitarbeiter das Recht hat, alle über ihn
gespeicherten Daten einzusehen.
Die Skalierung ist unklar
Der dritte Kritikpunkt liegt in der Be-
schränkung auf lediglich zwei Bewer-
tungsdimensionen. Warum geht es nur
um Potenzial und Leistung? Beide Di-
mensionen sind oft weder exakt noch
trennscharf definiert – sind aber am
häufigsten im Einsatz. Wissend, dass
auch viele andere Varianten vorkom-
mem, zum Beispiel Kompetenz und
Performance, soll hier die häufigste
Form diskutiert und zunächst mit der
Potenzialeinschätzung ins Gericht ge-
gangen werden. Was wird bei einer
summarischen Potenzialeinschätzung
wirklich abgebildet? Setzt sich diese
aus dem rechnerischen Durchschnitt
verschiedener – hoffentlich validier-
ter – Potenzialindikatoren zusammen?
Oder handelt es sich schlicht um den
dicken Daumen des Vorgesetzten, der
gleich auf der Ebene der Ergebnisskala
eine Einschätzung vornimmt – zum Bei-
spiel bei der Antwort „Geeignet für den
vertikalen nächsten Schritt in weniger
als drei Jahren“. Letztere Methode der
einfachen Ergebniseinschätzung durch
den Vorgesetzten ist häufig gar nicht die
schlechteste Variante. Zeigt die Praxis
doch, dass die Beurteilenden auch bei
noch so exakten Instrumentarien häufig
auf das Endergebnis schielen und dann
so bewerten, dass sich das gewünschte
Ergebnis auf der Skala einstellt.
Oftmals wird in die Potenzialaussage
auch eine Zeitaussage mit hineindefi-
niert. Ich plädiere ausdrücklich für ei-
ne getrennte Betrachtung von Potenzial
(Wofür?) und Zeit (Wie lange noch bis