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Management
_Talentmanagement
personalmagazin 11 / 13
D
as Kind hat viele Namen: Po-
tenzial-Performance-Matrix,
Nine Box Grid, Talent Grid
oder einfach Talent-Matrix.
Woher das beliebte Managementin­
strument kommt, ist indes strittig.
Manche behaupten, Al Gore habe es
entwickelt. Andere sagen, Jack Welch
vom US-Konzern GE habe das Tool – wie
etliche andere – als Erster angewendet.
Das schreibt auch Dan MacCarthy von
der Universität New Hampshire in ei-
nem Blogbeitrag. In jedem Fall ist das
Instrument heute in sehr vielen Unter-
nehmen im Einsatz, weil kaum ein Ar-
beitgeber darauf verzichten will, seine
Talente nach Potenzial und Performance
in einem Portfolio zu klassifizieren. Die
Darstellung mithilfe dieser Matrix ge-
hört mittlerweile zum guten Ton des Per-
sonalmanagements. Eine in der Praxis
häufige Form der Talent-Matrix zeigt die
Abbildung auf der nächsten Seite.
Angewendet wird die Matrix häufig,
um Performance- und Potenzialbewer-
tungen zu kalibrieren. In Führungs-
kräfterunden wird – oftmals moderiert
durch HR – das Portfolio der Mitarbeiter
durchgesprochen. Dadurch, dass die Mit-
arbeiter verschiedener Führungskräfte
in einem Grid dargestellt werden, bietet
die gemeinsame Diskussion die Möglich-
keit zur Anpassung der Bewertungen.
Häufig gilt das abgestimmte Portfolio als
Hauptergebnis von Talentmanagement-
Konferenzen.
Der beinahe flächendeckende Ein-
satz sagt jedoch noch wenig über den
Von
Philipp Hölzle
wirklichen Nutzen aus. Es ist stark zu
bezweifeln, dass die scheinbar einfache
Darstellung stets das richtige und schon
gar nicht das wichtigste Instrument im
Talentmanagement ist.
Die Matrix hat zweifelsohne viele Vor-
teile. Sie macht das für Manager oftmals
abstrakte Talentthema greifbarer. Die
sensible Kalibrierung von Talentaussagen
kann mit einem Tool vollzogen werden,
das aussieht wie die bekannten Werk-
zeuge aus dem strategischen Marketing.
Doch es gibt auch gewichtige Kritik.
Anhand von fünf Kritikpunkten ist hier
abzuwägen, ob die Talent-Matrix im Ta-
lentprozess wirklich das zentrale Instru-
ment bilden sollte.
Die Matrix ist zu kompliziert
Der erste Kritikpunkt besteht in der
Komplexität des Instruments. Je nach
Ausgestaltung hat das Grid neun, zwölf,
16, 20 oder gar 25 Felder, in welche die
Talente einsortiert werden. Die Differen-
zierung in so viele Felder macht metho-
disch nur dann Sinn, wenn jedem Feld
auch eigene Maßnahmen zugeordnet
werden. Wofür sonst die detaillierte Dif-
ferenzierung, die viele Führungskräfte
überfordert?
Die übersichtliche Darstellung in der
Matrix soll eigentlich helfen, die Ein-
schätzungen kalibrieren zu können.
Doch ist das auf dieser Ebene möglich?
Soll ein Manager entscheiden, ob Herr
Müller eher ein „Eins-zwei-Typ“ oder
nicht doch eher ein „Zwei-zwei-Typ“
ist? Fragestellungen auf Review-Konfe-
renzen sind doch eher: Wer sollte in den
Pool an Nachwuchskräften aufgenom-
men werden und wer kommt in das Ent-
wicklungsprogramm? Es geht also um
ganz konkrete Fragen und nicht um das
Verschieben in Einzelboxen, die dann
kaum Relevanz haben.
Die Matrix kann demotivieren
Der zweite Kritikpunkt, die negativeWir-
kung auf das Engagement, folgt direkt
aus dem Vorhergehenden. Was meldet
der Linienvorgesetzte einem Mitarbeiter
mit guter Performance und weiterem
Potenzial zurück? „Deine Leistung ent-
spricht zwar den Anforderungen – diese
Aussage entspricht meist der Mitte auf
der Beurteilungsskala – und weiteres
Entwicklungspotenzial wird dir auch
zugesprochen, doch leider bist du nicht
oben rechts im Portfolio und daher nicht
in die Talentprogramme gerutscht. Lei-
der bist du aber auch nicht rechts unten
und somit nicht Nutznießer der beson-
deren Bindungsprogramme. Zum Glück
bist du auch nicht links unten, also müs-
sen wir uns auch nicht um einen neuen
Job für dich umschauen.“
Das kann Leistungsträger demoti-
vieren. Die Position in der Mitte einer
Matrix, die gute Werte vorgibt, hat zu-
meist keine Relevanz für Karriere und
Entwicklung. Kandidaten unten rechts,
Spitzenleute, erhalten gegebenenfalls
noch direkte Maßnahmen, doch das
kann dennoch nach Manko aussehen, da
ein Skalenwert ja nun einmal sehr nied-
rig ausgeprägt ist. Motivierend wirkt die
eigene Position in der Matrix maximal
für jene Kandidaten, die oben rechts ein-
sortiert wurden. Für alle anderen ist die
Sache zumeist wenig hilfreich und Vor-
Gefangen in der Matrix
KRITIK.
In vielen Unternehmen ist es Usus, die Mitarbeiter in eine sogenannte
Talent-Matrix einzuordnen. Das bringt allerdings etliche Problemen mit sich.