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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Prof. Sonja A. Sackmann
hat den
Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsy-
chologie an der Universität der Bundeswehr
München inne.
sofortige Behebung des Problems, das
zwar zunächst einen Produktionsausfall
zur Folge hat, doch keine weiteren Nach-
folgekosten produziert wie zum Beispiel
eine Rückrufaktion, die um ein Viel-
faches teurer ist. Für eine Projektkultur
gilt das Gleiche. Werden die Projektmit-
arbeiter aus einer Unternehmenskultur
Das niederländische Institute of Brilliant Failures erforscht, welche Merkmale eine Un-
ternehmenskultur aufweisen sollte, damit Misserfolge in Projekten nicht mehr negativ
betrachtet, sondern die Erfahrungen daraus geschätzt und tatsächlich genutzt werden.
Die folgende Liste mit Fragen in drei Kategorien soll Unternehmen helfen, die eigene
Kultur zu bewerten. Das Institut sammelt die Antworten, um daraus eine Checkliste zu
erstellen. Wenden Sie sich dafür an Bas Ruyssenaars
nd)
Eine Kultur für brillante Misserfolge
Praxisbeispiel
Kurz-ch ck
Den Kontrollknopf loslassen Zum richtigen Maß an
Risikoübernahme ermutigen
Den Wert von Misserfolgen
anerkennen
Kontrolle lässt oft keine spon-
tanen Entwicklungsprozesse
zu. Um dem entgegenzuwir-
ken, müssen Unternehmen
prüfen, wo sie weniger
kontrollieren und dafür mehr
steuern können.
Viele Organisationen und
Arbeitnehmer versuchen, auf
Nummer Sicher zu gehen. Sie
scheuen das Risiko. Um dem
entgegenzuwirken, sollten Or-
ganisationen prüfen, wo sie zu
welchem Maß an Risikoüber-
nahme ermuntern wollen.
Viele Organisationen versu-
chen, Misserfolge unter den
Teppich zu kehren oder die
Verantwortlichen zu bestrafen.
Organisationen sollten aber
besser den Wert der Miss-
erfolge anerkennen und die
Erfahrungen daraus nutzen.
Denkanstöße zur Kontrolle Denkanstöße zum Risikomaß Denkanstöße zum Lernen
•
Wie mobilisieren Sie die Kre-
ativität aller Stakeholder, vor
allem der Arbeitnehmer, um
den besten Weg zu definieren,
die Projekt- und Unterneh-
mensziele zu erreichen?
•
Wie prüft Ihre Organisation,
wie sich das Unternehmens-
umfeld entwickelt, und
inwiefern schaffen Sie Mög-
lichkeiten, um die Organisati-
on durch diese Entwicklungen
hindurchzusteuern?
•
Wie reagiert Ihre Organi-
sation, wenn sich die ersten
Projektvoraussetzungen und/
oder -ziele als ungültig oder
unerreichbar herausstellen?
•
Wie viel Freiheit lässt die
Organisation zu, um sich
an die neue Entwicklung
anzupassen?
•
Welches sind die Top-3-
Risiken, mit denen Ihre Or-
ganisation und Ihre Projekte
konfrontiert sind?
•
Wie definiert Ihre Organisa-
tion die Risiken, zu denen sie
ermuntern will und welche
sie vermeiden will?
•
Wie viel Prozent Ihres
Budgets steht für innovative
Projekte zur Verfügung?
•
Im Durchschnitt: Wie
viel Prozent Ihrer Projekte
betrachten Sie pro Geschäfts-
jahr als teilweise oder ganz
gescheitert?
•
Welche Mechanismen
nutzen Sie, um zu proaktivem
Verhalten und Experimentie-
ren in Kombination mit ent-
sprechender Verantwortungs-
übernahme zu ermutigen?
•
Welche Mechanismen
nutzt Ihre Organisation, um
aus Misserfolgen zu lernen,
sowohl auf Ebene der indi-
viduellen Projekte als auch
über die gesamte Organisati-
on hinweg?
•
Wie teilen Sie diese
Erfahrungen mit anderen
innerhalb und außerhalb der
Organisation?
•
In welchem Ausmaß
reagiert Ihre Organisation
wirklich auf diese Erfahrun-
gen und implementiert die
nötigen Änderungen in der
Strategie und Umsetzung?
Quelle: Übersetzung nach Insititute of Brilliant Failures
rekrutiert, in der ein solch offener Um-
gang mit Fehlern üblich ist, dann wird
es einfacher sein, diesen offenen und
direkten Umgang auch in schwierigen
Situationen im Projekt zu praktizieren.
Dennoch muss in der neuen Organisa-
tion des Projekts erst eine gemeinsame
Basis geschaffen werden, damit sich die
Projektmitarbeiter mit ihren Stärken
und Schwächen kennenlernen und – wie
oben erwähnt – gemeinsame Spielregeln
entwickelt und auch eingehaltenwerden.
Ganz zentral ist hierbei eine gegensei-
tige Wertschätzung, die einen Umgang
miteinander auf Augenhöhe schafft und
dadurch ermöglicht, Probleme, Konflikte
und Fehler auf der Sachebene anzuspre-
chen und miteinander zu diskutieren,
ohne dass dabei die persönliche Ebene
tangiert wird.
Tuscheln statt offener Aussprache
Meist sind es kleine, schwache Signa-
le, die Projektprobleme ankündigen
(siehe Kasten auf Seite 29). Häufig
werden diese Anzeichen aufgrund
hoher Identifikation mit dem Projekt
oder dem Projektziel, einer gewissen
Euphorie oder auch von Erfolgsdruck
nicht bemerkt, wodurch ein rechtzei-
tiges Gegensteuern verhindert wird.
Daher ist es wichtig, regelmäßig soge-
nannte Prozesssitzungen durchzufüh-
ren, bei denen nicht inhaltlich über das
Projekt diskutiert wird, sondern die
Arbeits- und Vorgehensweise im Team
wie auch die Zusammenarbeit der Pro-
jektmitarbeiter kritisch analysiert und
offen diskutiert werden. Einerseits wird
durch eine Prozesssitzung die offene,
direkte Kommunikation im Projektteam
gefördert, anderseits hilft ein solches
Vorgehen, sich anbahnende Probleme
frühzeitig zu erkennen, was ein Ge-
gensteuern vereinfacht. Ist eine offene
Kommunikation nicht mehr möglich,
empfiehlt sich das Hinzuziehen eines
Moderators, der dem Projektteam durch
geeignete Interventionen zu einer offe-
nen, direkten, wertschätzenden Kom-
munikation verhelfen kann – durch die
Fehler frühzeitig erkannt und bearbei-
tet werden können.