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Titel
_Projektmanagement
personalmagazin 11 / 13
multikulturellen Dynamik im Projekt,
wobei sich unterschiedliche Kultursze-
narien entwickeln können. Die sich in
einem Projekt über die Zeit entwickeln-
de Kultur kann einerseits ein Abbild der
bestehenden Unternehmenskultur sein,
aber auch komplementär, ganz anders
oder in zentralen Aspekten sogar gegen-
sätzlich sein. Beispiele für eigenständi-
ge Projektkulturen gibt es aus großen
Unternehmen wie IBM oder ABB, die für
die Entwicklung radikal neuer Produkte
und Dienstleistungen Projekte als Paral-
lelorganisationen einsetzen, bei denen
ganz andere Arbeitsweisen und Spiel-
regeln im Umgang miteinander gelten.
Für den Projekterfolg ausschlagge-
bend ist daher einerseits die konkrete
inhaltliche Prägung der sich entwickeln-
den Projektkultur, aber auch die Unter-
nehmenskultur. Schließlich müssen die
Projektergebnisse auch in irgendeiner
Form in die bestehende Organisation in-
tegriert werden.
Förderliche Kulturaspekte
Projektmanagement-Handbücher emp-
fehlen für die Arbeitsweise in Projek-
ten eine Beitragsorientierung, bei der
Projektmitarbeiter hierarchiefrei, offen
und direkt miteinander kommunizieren
und arbeiten sollten – egal welcher Hie
rarchieebene sie im Unternehmen an-
gehören, welche Organisationseinheit
sie vertreten oder welche Seniorität sie
qua Firmenzugehörigkeit oder Fachaus-
bildung besitzen. Nur solch eine offene
und direkte Kommunikation ermöglicht
es, frühzeitig Probleme anzusprechen,
damit diese noch rechtzeitig bearbeitet
werden können und es gar nicht erst zu
Fehlentwicklungen kommt. Denn Feh-
ler entstehen erst dann, wenn sie nicht
rechtzeitig im frühen Problemstadium
erkannt, angesprochen, gemeinsam dis-
kutiert und wirksam bearbeitet werden.
So hat die Ansage eines Geschäftsfüh-
rers, nur mit Lösungen und nicht mit
Problemen konfrontiert werden zu wol-
len, in einem mir bekannten Praxisfall
zu massiven Projektverzögerungen ge-
führt. Ein gravierendes Problem wurde
viel zu spät aufgedeckt – erst dann, als
es von den Projektmitarbeitern nicht
mehr lösbar war und Projektprobleme
und Zeitverzögerungen auch nicht län-
ger verschwiegen werden konnten.
Daher ist es hilfreich, wenn zu Beginn
einer Projektarbeit gemeinsam Regeln
im Umgang miteinander entwickelt wer-
den, die dann auch eingehalten, einge-
fordert und gegebenenfalls sanktioniert
werden müssen. Das Leben der verein-
barten Regeln im Umgang miteinander
erfordert somit ein gewisses Maß an
Vertrauen in die Professionalität der Pro-
jektkollegen wie auch in die Fähigkeit.
Hinzu kommt, dass auch eine gute
Konfliktkultur im Projektteam herr-
schen muss; die Mitglieder müssen
wirksam mit Konflikten umgehen kön-
nen. Das ist keine leichte Aufgabe. Denn
einerseits gilt: Je unterschiedlicher und
multikultureller ein Projektteam zusam-
mengesetzt ist, desto größer ist auch sein
Konfliktpotenzial. Aber andererseits ist
auch klar, dass solche unterschiedlichen
Sichtweisen und Meinungen gerade für
die Lösung komplexer Probleme benötigt
werden. Weder nützt es dem Projekter-
folg, wenn andersartige Meinungen
von Projektmitgliedern erst gar nicht
geäußert werden, noch wenn diese von
mächtigeren Projektmitgliedern als irre-
levant betrachtet werden. Für ein gutes
Projektergebnis ist es daher notwendig,
unterschiedliche Meinungen anzuhören,
gemeinsam zu diskutieren und weiterzu-
entwickeln, wofür eine gewisse Konflikt-
fähigkeit im positiven Sinne notwendig
und hilfreich ist. Denn je frühzeitiger
eine kritische Situation angesprochen
wird, desto weniger radikale Lösungsan-
sätze braucht es und desto mehr Hand-
lungsalternativen stehen zur Verfügung.
Zum Erfolg verdammt?
Dass dies in der Umsetzung nicht ein-
fach ist, zeigt unsere Forschung zu Pro-
jekten in einer hierarchischen Organi-
sation: Sie können qua Hierarchie zum
Erfolg verdammt sein, wenn zum Bei-
spiel hochrangige Führungskräfte aus
dem Unternehmen – aus welchen Grün-
den auch immer – viel in ein Projekt in-
vestiert haben, egal ob persönlich, ideell
oder mit materiellen Ressourcen. Ein
Beispiel dafür: Detaillierte Auswertun-
gen tausender von Dokumentenseiten
im Nachgang des Challenger-Unglücks
haben gezeigt, dass das Problem des
Dichtungsrings bei niedrigen Tempera-
turen bekannt war, ihm die Entscheider
aufgrund von Erfolgsdruck jedoch zu
wenig Gehör schenkten.
Auch der kritische Blick nach außen
in Richtung Projektumfeld und Nutzer
ist also notwendig, denn neue Entwick-
lungen können ein laufendes Projekt
mit seiner Zielsetzung obsolet machen.
In einem solchen Fall ist ein Projektab-
bruch sinnvoller, als noch weitere Res-
sourcen zu investieren – auch wenn es
den Betroffenen schwerfallen mag.
Auch die Fehlerkultur ist wichtig
Damit solche Fehlentwicklungen ver-
mieden werden können, bedarf es ei-
nerseits einer Unternehmenskultur, die
einen konstruktiven Umgang mit Kon-
flikten erlaubt und fördert, damit es erst
gar nicht zu Fehlern kommt. Dies bedeu-
tet aber auch, dass man auf Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter – egal welcher
hierarchischen Ebene sie angehören –
hört, wenn sie ein Problem äußern. Dies
bedingt wiederum Mitarbeiter, die den
Mut haben und sich trauen, unangeneh-
me Nachrichten gegenüber hierarchisch
höher Gestellten zu äußern oder eige-
ne Fehler einzugestehen. Dies ist nur
möglich, wenn die Unternehmenskultur
durch Offenheit und gegenseitiges Ver-
trauen gekennzeichnet ist.
Als positives Beispiel kann hier das
Prinzip „First Time Right“ genannt wer-
den, das zum Beispiel ein Kernelement
des Toyota-Produktionssystems ist. Dort
war und ist es Fließbandarbeitern nicht
nur erlaubt, sondern es wird von ihnen
auch erwartet, dass sie das Fließband
sofort anhalten, wenn sie einen Produk-
tionsfehler entdecken. Dies erlaubt eine