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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
drein sitzt die ganze Republik auf der
Zuschauertribüne. Ich beobachte die
Entwicklung mit Sorge: Deutschland hat
nach wie vor keine hohe Streiktätigkeit,
aber in unserem Bereich nimmt sie dra-
matisch zu. Das Bundesarbeitsgericht
hat den Weg für Spartengewerkschaften
geöffnet, was die Erpressbarkeit erhöht
hat. Die Tarifpolitik bei der Lufthansa
bleibt schwierig, die Rahmenbedin-
gungen müssten dringend angepasst
werden, weil das Unternehmen für eine
funktionierende Verkehrsinfrastruktur
von großer Bedeutung ist.
personalmagazin:
Bei Heiko Lange galt die
Lufthansa als Benchmark des Personal-
managements. Wie steht sie heute da?
Lauer:
Wir sind sehr ordentlich aufgestellt.
Wir haben sehr flexible Strukturen, etwa
viele Teilzeitmöglichkeiten. Mit der Luft-
hansa School of Business, die übrigens
Thomas Sattelberger aufgebaut hat, ha-
ben wir ein vorbildliches Trainingscenter.
In der Berufsausbildung sind wir stark.
Um nur einige Beispiele zu nennen.
personalmagazin:
Wo liegen die Versäum-
nisse der Ära Lauer?
Lauer:
Ich hätte beim Thema Frauenför-
derung noch stärker treiben müssen. Da
hätte man deutlich mehr machen können.
personalmagazin:
Sie sind als Personalvor-
stand der Lufthansa im Juni ausgeschie-
den. Was kommt jetzt?
Lauer:
Zunächst einmal bleibe ich der Luft-
hansa verbunden: Ich bin imAufsichtsrat
der Lufthansa Cargo AG, in einem Joint-
Venture mit der türkischen Airline Vice-
Chairman und dann habe ich noch einige
Projekte. Zudem habe ich ein Aufsichts-
ratsmandat bei den Draegerwerken in
Lübeck angenommen. Mit 58 Jahren bin
zu jung, um nichts zu machen, das wür-
de nicht meinem Naturell entsprechen.
Ich schaue, was mich interessiert. Meine
Frau ist in Sorge, dass ich wieder zu viel
zusage. Das will ich vermeiden.
Das Interview führte
Reiner Straub.
falschen Interessenlagen gemacht haben.
Aktuell ärgert mich, dass wir in Deutsch-
land tolle Unternehmen haben, aber der
Ruf des Unternehmers doch zum Teil arg
ramponiert ist. Die Wirtschaftsakteure
haben ein massives Imageproblem. Das
HR-Management in Deutschland hat
vieles zu bieten, wovon man in anderen
Ländern träumt. Wir müssen unsere
Stimme deutlicher erheben, um noch
besser wahrgenommen zu werden. Das
ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.
personalmagazin:
In manchen Punkten,
beispielsweise der Frauenquote, haben
Sie Position bezogen. Gab es dann auch
eine Resonanz?
Lauer:
Die Personalchefs der Dax-Unter-
nehmen haben sich zu dieser Frage aus-
getauscht und auch die DGFP hat Stellung
bezogen. So etwas hat es jahrzehntelang
nicht gegeben. Früher hätte die DGFP so
etwas mehr im Hinterbühnenbereich dis-
kutiert. Heute gehen wir raus auf die Büh-
ne. Die Resonanz auf unsere öffentlichen
Stellungnahmen war positiv, unsere Mit-
gliedsunternehmen unterstützen das.
personalmagazin:
Findet man in Berlin als
Fachorganisation für das Personalma-
nagement Gehör?
Lauer:
Die DGFP hat eine gute Vernetzung
zur BDA und zu den Ministerien. Wir ar-
beiten auch wieder mit der HR-Allianz
zusammen, denn es geht doch darum,
der HR-Stimme stärkeres Gewicht zu ver-
leihen. Wir warten nicht, bis wir von Ber-
lin zu Themen gefragt werden, sondern
betreiben das selbst aktiv.
personalmagazin:
Als Sie vor 13 Jahren
Nachfolger von Dr. Heiko Lange als
Personalvorstand der Lufthansa wurden,
war das für die Öffentlichkeit eine Über-
raschung. Für Sie auch?
Lauer:
Auf meinem Karrierezettel stand
nicht Personalvorstand. Ich hatte vorher
andere Funktionen ausgeübt, in der Logis­
tik und Konzernstrategie. Als ich zum
Personalvorstand berufen wurde, war das
auch für mich eine Überraschung. Als Er-
stes habe ich dann ein Seminar bei der
DGFP belegt, in dem ich in drei Wochen
die wichtigsten Themen des Personalma-
nagements lernen musste. Im Laufe der
Tätigkeit hat mir das Personalmanage-
ment zunehmend Freude gemacht, weil
ich merkte: Gerade hier in diesem Land ist
Personalmanagement das Asset Manage-
ment des 21. Jahrhunderts.
personalmagazin:
Sie haben nicht nur
Personalfunktionen wahrgenommen,
sondern auch klassische Management-
aufgaben. War Ihnen das Personalressort
zu wenig?
Lauer:
Bei meiner Verabschiedung sprach
der Vertreter der Arbeitnehmerschaft ein
bisschen schmunzelnd von einem Teil-
zeit-Arbeitsdirektor. Dem kann ich nicht
widersprechen. Es war immer mein Anlie-
gen, neben Personal noch andere Aufga-
ben zu übernehmen. Das hat meine Rolle
als Personalvorstand nicht geschwächt,
sondern eher gestärkt.
personalmagazin:
Ist die Tarifpolitik das
Gebiet, das Sie als Personalvorstand der
Lufthansa am stärksten gefordert hat?
Lauer:
Ja. Die Auseinandersetzungen
waren immer nervenzehrend. Die Luft-
hansa hat eine verderbliche Ware, so-
dass das Erpressungspotenzial groß ist.
Allein die Ankündigung eines Streiks
hat eklatante finanzielle Folgen. Oben-
Stefan Lauer
hat als Personalvorstand
der Lufthansa sowie als Vorstand der DGFP
das deutsche Personalwesen mehr als ein
Jahrzent lang geprägt.
© rolf bewersdorf/Lufthansa