Seite 66 - personalmagazin_2013_04

Basic HTML-Version

66
Recht
_schwellenwert­
personalmagazin 04 / 13
D
er allgemeine Kündigungs-
schutz gilt im Grundsatz nur
in Betrieben mit in der Regel
mehr als zehn Arbeitnehmern
(§ 23 Abs. 1 Satz 3 Kündigungsschutz-
gesetz). Das Bundesarbeitsgericht hat
mit Urteil vom 24. Januar 2013 (Az. 2
AZR 140/12) entschieden, dass Leihar-
beitnehmer im Einsatzbetrieb für den
Schwellenwert des Kündigungsschutz-
gesetzes mitzuzählen sind, wenn ihr
Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhan-
denen Personalbedarf beruht.
Damit widerspricht das Gericht der
– und das ist selten im Arbeitsrecht –
nahezu einhelligen Meinung und der
Rechtsprechung mehrerer Landesar-
beitsgerichte, die Leiharbeitnehmer im
Einsatzbetrieb bisher nicht mitgezählt
haben. Die BAG-Entscheidung kann da-
Von
André Zimmermann
zu führen, dass jetzt wesentlich mehr
Betriebe in den Geltungsbereich des
Kündigungsschutzgesetzes fallen. Im
betroffenen Betrieb waren exakt zehn
„eigene“ Arbeitnehmer. Im November
2009 kündigte der Arbeitgeber das Ar-
beitsverhältnis ordentlich und fristge-
mäß. Mit seiner Kündigungsschutzklage
machte der Arbeitnehmer geltend, auch
die Leiharbeitnehmer seien zu berück-
sichtigen, sodass die Schwelle von zehn
Arbeitnehmern überschritten sei – und
er allgemeinen Kündigungsschutz ge-
nieße.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsge-
richt hatten die Klage abgewiesen. Die
eingesetzten Leiharbeitnehmer seien
nicht mitzuzählen, weil sie in keinem
Arbeitsverhältnis zum Einsatzunterneh-
men stünden. Selbstbewusst hatte sich
das Landesarbeitsgericht noch auf die
„ganz herrschende Meinung“ berufen,
die Leiharbeitnehmer beim Schwellen-
wert des Kündigungsschutzes nicht
mitzählen.
Die Revision des Klägers hatte aber
jetzt vor dem zweiten Senat des Bun-
desarbeitsgerichts Erfolg. Es sei nicht
auszuschließen, so das Gericht, dass im
Betrieb der Beklagten mehr als zehn Ar-
beitnehmer beschäftigt gewesen seien.
Zu berücksichtigen seien nämlich auch
Leiharbeitnehmer, soweit ihr Einsatz auf
einem „in der Regel“ vorhandenen Per-
sonalbedarf beruhe. Das Gericht begrün-
det das mit einer an Sinn und Zweck
orientierten Auslegung der gesetzlichen
Regelung.
Arbeitsverhältnis nicht maßgeblich
Der Berücksichtigung von Leiharbeit-
nehmern stehe – entgegen der Auffas-
sung des Landesarbeitsgerichts – nicht
schon entgegen, dass sie nicht in einem
Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber
stehen. Die Herausnahme der Klein-
betriebe aus dem Anwendungsbereich
des Kündigungsschutzgesetzes solle
der dort häufig engen persönlichen Zu-
sammenarbeit, ihrer zumeist geringen
Finanzausstattung und dem Umstand
Rechnung tragen, dass der Verwal-
tungsaufwand, den ein Kündigungs-
schutzprozess mit sich bringt, die Inha-
ber kleinerer Betriebe typischerweise
stärker belaste. Dieser Zweck, so das Ge-
richt, rechtfertige keine Unterscheidung
danach, ob die den Betrieb kennzeich-
nende regelmäßige Personalstärke auf
dem Einsatz eigener oder entliehener
Arbeitnehmer beruhe. Leiharbeitneh-
mer seien daher bei der Ermittlung des
Aus Klein wird plötzlich Groß
Urteil.
Das BAG hat entschieden: Wenn in Kleinbetrieben Leiharbeitnehmer
beschäftigt werden, kann das zur Geltung des Kündigungsschutzgesetzes führen.
Die Frage, inwieweit Leiharbeitnehmer bei der Betriebsgrößenbestimmung mitzuzäh-
len sind, beschäftigt zunehmend die Arbeitsgerichte.
Zuletzt war beim Bundesarbeitsgericht ein Verfahren anhängig (Az. 7 ABR 69/11),
bei dem der siebte Senat erneut über den Zusammenhang zwischen der Anzahl der
Leiharbeitnehmer und einem Schwellenwert im BetrVG entscheiden musste. Konkret
stritten sich die Parteien darüber, ob die Anzahl der eingesetzten Leiharbeitnehmer
mitentscheidend dafür ist, wie viele Betriebsräte nach § 9 BetrVG freizustellen sind. Das
Ergebnis der Entscheidung war für den 13. März 2013 angekündigt und bei Redaktions-
schluss noch nicht bekannt. Aktuelles können Sie daher unter
nachlesen. Zusätzlich werden wir in der nächsten Ausgabe ausführlich informieren.
(tm)
Das Zahlenspiel geht weiter
Praxisbeispiel
hinweis