Seite 47 - personalmagazin_2013_04

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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
force-Effectiveness-Modelle würden da-
bei diese Organisationform als Methode
begleiten.
Beispiel: Ein guter Mitarbeiter mit
der Motivation, sich beruflich weiterzu-
entwickeln, wendet sich heute zumeist
an seine Fachabteilung – und wird so
schnell den Begrenzungen des Fach-
bereichs und gegebenenfalls den Ei-
geninteressen des Linienvorgesetzten
begegnen. Sein Potenzial wird nicht op-
timal genutzt, das Personalmanagement
zumeist nur für eine begrenzte Anzahl
Mitarbeiter im Rahmen von Führungs-
kräfteentwicklung und Potenzialanaly-
sen einbezogen. In der Welt von Steve
Jobs würde dieser Mitarbeiter im Per-
sonalmanagement einen serviceorien-
tierten Ansprechpartner finden, der auf
Basis von integrietem Kompetenzmo-
dell, strategischer Personalplanung und
Leistungspotenzialbeurteilung die bes­
ten Alternativen im Unternehmen aus-
wertet und die notwendigen nächsten
Schritte mit dem Mitarbeiter plant. Der
Mitarbeiter geht mit einem konkreten
Ergebnis aus dem Gespräch.
Eigene Visionen entwickeln, Signale
aussenden, Fokusgruppen meiden
Mitarbeiterbefragungen und Fokus-
gruppen werden im Personalmanage-
ment häufig als Mittel der Wahl für
Partizipation und Weiterentwicklung in
den Vordergrund gerückt. Steve Jobs da-
gegen betrachtete sie zumindest für die
Weiterentwicklung von Produkten als
Zeitverschwendung: „Die Kunden wis-
sen nicht, was sie wollen, bevor wir es
ihnen zeigen.“ Seine visionären Produk-
te setzte er meisterhaft in Szene und er-
zeugt darüber den Bedarf beim Nutzer.
Unternehmensführung und Perso-
nalmanagement sollten demnach eine
klare und differenzierende Vision für
das Arbeitgeberwertversprechen entwi-
ckeln, die mit den Unternehmenzielen
einhergeht und sich auf die besten Mit-
arbeiter im Unternehmen konzentriert.
Diese Vison würde durch das Personal-
management als Marketingmaschinerie
zielgerichtet an die Mitarbeiter weiter-
gegeben.
Beispiel: Viele Unternehmen haben im
Wettbewerb um die Toptalente ihr Perso-
nalmarketing ausgebaut und Social-Me-
dia-Analysen sowie Umfragen bezüglich
der Bedürfnisse potenzieller Bewerber
gestartet. Doch die Arbeitgebermarke ist
meist nicht wirklich differenziert von an-
deren Unternehmen, sondern will kon-
sensgetrieben alle diversen Aspekte der
Mitarbeiterschaft ansprechen. Anstatt
auf diesemWege den externen Talentpool
auszuweiten, könnte das wirklich wert-
bringende visionäre Produkt dagegen
die vollständige Integration der Prozesse
„Mitarbeiterbindung/-entwicklung“ mit
dem „Mitarbeitermarketing/-recruiting“
sein. So ließe sich ein gemeinsamer in-
terner und externer Talentpool schaffen,
mit dem schneller und flexibler auf die
Bedürfnisse des Unternehmens reagiert
werden kann.
Fokussierung, Vereinfachung und
Perfektion anstreben
Apple bestach unter Steve Jobs durch
die Fokussierung auf einige wesentliche
Produkte, in denen wirklicher Mehrwert
gesehen wurde. Intuitive Bedienbarkeit
war das oberste Ziel. Die Perfek­tion
ging so weit, dass selbst das Design
nicht sichtbarer Teile optimiert wurde.
Produkte des Personalmanagements
bestechen hingegen mehr durch ihre
Vielfältigkeit und konzeptionelle oder
historische Komplexität als durch Fokus-
sierung und Praktikabilität. Beispiele
dafür sind umfängliche Kompetenzmo-
delle mit geringer Trennschärfe und
hohem Verwaltungsaufwand, Vergü-
tungsmodelle mit undurchschaubaren
Bonusregeln oder komplexe Weiterbil-
dungsprogramme. Die Fokussierung
auf wenige Produkte böte dem Perso-
nalmanagement jedoch die Chance, sich
auf die zielorientierte Umsetzung echter
Innovationen und wertbringender An-
gebote zu konzentrieren.
Beispiel: Ein Unternehmen mit starken
Umsatzeinbrüchen hat eine umfassende
Vertriebsoffensive beschlossen. Die Ope-
rationalisierung dieser Strategie liegt
heute überwiegend beim Linienmanage-
ment. Das Personalmanagement ist, eher
geduldet, beratend mit kleiner Kapazität
eingebunden. In der Welt von Steve Jobs
wäre dies hingegen ein Fokusthema fürs
Personalmanagement. Entsprechende
Kapazitäten würden bereitgestellt. In der
Folge würden die kritischen Kernkom-
petenzen der Vertriebler identifiziert, es
würde umfassend ausgebildet, neue In-
centivierungsmodelle würden entwickelt
und Personalvakanzen mittels interner
und externer Talentpools besetzt.
Mehr als nur ein nettes
Gedankenspiel
Bleibt dieser Ansatz nur ein nettes Ge-
dankenspiel, das in der deutschen Un-
ternehmensrealität, geprägt durch sta-
tus-quo-orientierte Mitarbeiter, starke
Betriebsräte und eine konsensgeprägte
Kultur, allenfalls theoretisch Anwen-
dung findet? So einfach ist es nicht. Der
Ansatz will das Personalmanagement
zur übergreifenden Chefsache machen.
Dabei übernimmt das Linienmanage-
ment weiterhin die Verantwortung für
die Personalführung, während sich das
Personalmanagement als innovativer
und proaktiver Dienstleister und Treiber
einer Personalvision etablieren soll. Da-
für ist ein Schritt zurück nötig, um mit
dem Linienmanagement eine Neuorien­
tierung und Priorisierung vorzuneh-
men, um dann zwei Schritte vorwärts in
die stringente Umsetzung der innovati-
ven, wertbringenden und praktikablen
Produkte zu gehen.
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© Denys Prykhodov / Shutterstock .com
Fred Marchlewski
ist
Geschäftsführer des Bereichs
Talent & Organization bei
Accenture.
Ilka Stollberg
ist Senior
Manager im Bereich Talent &
Organization bei Accenture.