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personalmagazin 01 / 12
MANAGEMENT
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DESIGN THINKING
Mit den Händen denken
METHODE. Der Systemikerkongress X-Mess in Berlin
befasste sich mit „Design Thinking“. Der neue Ansatz
sorgte für Spaß – aber nicht für Erkenntnis.
D
as Werk von Niklas Luhmann
und anderen, auf das sich die
systemische Schule beruft,
ist tiefgründig genug, um
über Jahre hinweg Kongresse damit
zu bestreiten. Dennoch öffnete sich die
Szene rund um die Hochschullehrer
Dirk Baecker und Fritz B. Simon auf
ihrer jüngsten Konferenz einer Lehre,
deren Anschlussfähigkeit an die Sys-
temtheorie erst noch ergründet wer-
den muss. „Design Thinking“ stand im
Mittelpunkt der X-Mess Ende Novem-
ber in Berlin (eine ausführliche Kon-
gressdokumentation finden Sie unter
90 Berater, Wissen-
schaftler, Studenten und Künstler hatten
sich zusammengefunden, um das „Mit-
den-Händen-Denken“ an der Konzeption
einer neuen Gesellschaft und neuartiger
Organisationen auszuprobieren.
Die nächste Gesellschaft, so der an der
Zeppelin-Universität in Friedrichshafen
lehrende Soziologe Dirk Baecker bei sei-
ner Keynote, sei durch das Aufkommen
der Elektrizität, des Computers und des
Internets auf globale Gleichzeitigkeit
und eine Logik von „Schaltungen undWi-
derständen“ ausgerichtet. Die Mantras
systemischer Berater, „Komplexität und
Reflexivität“, bekämen da eine ganz neue
Bedeutung. Er räumte aber sogleich ein:
„Dieses Denkmodell, ich weiß, kann man
nicht auf Anhieb verstehen, man muss
es ausprobieren.“ Baecker schlug hier-
mit, gewollt oder ungewollt, die Brücke
zum „Design Thinking“, das den zweiten
Tag der Zusammenkunft bestimmte.
Künftige Organisationen basteln
Denn diese Methodik setzt darauf, we-
niger durch angestrengtes Denken als
durch Handeln und plastisches Gestal-
ten („Prototyping“) zu neuen Erkenntnis-
sen zu kommen. Einer ihrer Väter, der in
Stanford lehrende Larry Leifer, stellte die
Fundamente des Ansatzes auf inspirie-
rende Weise vor. Das Konzept beruht auf
derAnnahme, dass durchdasBeobachten
von Kundenbedürfnissen, durch Lern-
und Testschleifen sowie durch schnelles
Gestalten in heterogenen Teams innova-
tive Problemlösungen entstehen (siehe
dazu: dschool.stanford.edu).
Was das für die Gestaltung neuer
Organisationen und Geschäftsmodelle
bedeutenkönnte, erprobtendieKongress-
teilnehmer beim Basteln mit Klebstoff
und Styropor an Supermärkten, Partner-
vermittlungen, Stadtverwaltungen und
Bibliotheken. Das machte Spaß und bot
Anlass zum Austausch. Die Ergebnisse
allerdings wirkten oft wie eine Variante
herkömmmlicher, internetbasierter Or-
ganisationen in „neuem Design“.
Schlimmer noch, Antworten auf die
Systemfragen unserer heutigen Ge-
sellschafts- und Wirtschaftsordnung
(Stichworte: Finanz-, Vertrauens- und
Identitätskrise) waren nicht zu finden.
Die schillerndeWelt des Internets scheint
auch kritische Geister mittlerweile so zu
elektrisieren, dass eine Gleichschaltung
mit der „unsichtbaren Maschine“ (Luh-
mann über den Computer) als Signum
der nächsten Gesellschaft unausweich-
lich scheint. Wenigstens verhilft „Design
Thinking“ dabei zu aufregenden Oberflä-
chen und Produkteigenschaften.
Von
Randolf Jessl
(Red.)
© X-MESS
Larry Leifer erklärt auf der X-Mess-Konferenz in Berlin, wie „Design Thinking“ funktioniert.