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PERSONALAUSWAHL
Intelligent zuhören
HINTERGRUND. Referenzen zu Bewerbern einzuholen, ist im Ausland üblich –
und kann wertvolle Zusatzinfos liefern. Eine gute Vorbereitung ist aber Pflicht.
Kommunikation ist alles. Bei Referenzen kommt es auf gute Verbindungen an.
„Ich will nicht das euphorische Urteil
des Chefs, sondern das weniger emotio-
nale des Personalfachmanns“, begründet
Strempel. Ein distanziertes, differen-
ziertes Urteil entsteht, wenn konkrete
Situationen beleuchtet werden: Waren
die Teams, die der Kandidat leitete, alt
oder jung? Welches Standing hatte er bei
Chefs, Kollegen und Mitarbeitern? War
der Kandidat in strategische Planungen
eingeweiht oder trieb er sie voran? „Mich
interessierenPersönlichkeitsmerkmale“,
so der Personalleiter.
Das Telefonat mit Personalfachleuten,
Vorgesetzten und Kollegen ist in Deutsch-
land die gängigere Form, um sich Zusatz-
eindrücke über Bewerber zu verschaffen.
Persönliche Besuche des potenziellen
Arbeitgebers beim früheren Arbeitgeber
sind die Ausnahme. Da sind eher infor-
melle Nebenbeikontakte denkbar – auf
Kongressen oder Sitzungen im Arbeitge-
berverband sowie bei der IHK. Je klei-
ner die Branche, je spitzer das Profil der
Stellenausschreibung, umso größer ist
die Chance für den Suchenden, auf Bran-
chenkollegen zu treffen, die Erfahrung
mit dem Kandidaten haben. Dabei muss
der neugierige Frager aber überlegen, ob
er den Bewerber diskreditiert, weil dieser
möglicherweise seine Jobsuche (noch)
nicht öffentlich gemacht hat.
Bewerber nach Referenzgeber fragen
Und damit ist ein heikler Punkt beim
Thema Referenzen angesprochen: Wird
ein Bewerber gebeten, Referenzkon-
takte anzugeben, benennt er sicher
Chefs und Kollegen, die gut auf ihn zu
sprechen sind. Das veranlasst manche
Geschäftsführer und Personalchefs, auf
eigene Faust bei früheren Arbeitgebern
anzurufen. Der Stuttgarter Personalbe-
rater Markus Weber, Dr. Maier + Part-
ner, lehnt dieses Vorgehen entschieden
ab: „Es ist ein Gebot der Fairness, nicht
hinter dem Rücken eines Kandidaten an-
dere nach ihm auszufragen.“ Er warnt
sogar: „Wenn der Bewerber das erfährt,
wird ihn dieses Vorgehen abschrecken,
und wenn es sich herumspricht, fällt das
Unternehmen negativ auf.“
Geboten ist also die offizielle, ab-
gesprochene Recherche. In manchen
Unternehmen werden schriftliche Refe-
renzen schon in der Bewerbungsmappe
erwartet. Solche frei formulierten Emp-
fehlungsschreiben können für sich ge-
Von
Ruth Lemmer
J
ürgen Strempel, Personalleiter des
Schweizer Kosmetikherstellers
La Prairie Group am Produktions-
standort Baden-Baden, empfindet
Zeugnisse als „stromlinienförmig und
teflonartig“. Die Bewerber sind trainiert,
die Zeugnisse leer. Sie zu hinterfragen,
erweitert die Kontrollspanne. Der Perso-
nalleiter greift zum Telefonhörer.
Gerade über die weichen Faktoren
lasse es sich am fundiertesten von Per-
sonalleiter zu Personalleiter sprechen,
meint er. Motivation, Teamarbeit, Füh-
rungsverhalten sind die Aspekte, mit de-
nen Strempel das Bild abrunden möchte,
das er sich im Interview gemacht hat.