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RECHT
03 / 12 personalmagazin
ARBEITNEHMERÜBERLASSUNG
sogenannten Führungsvereinbarung in-
stalliert werden. In dieser Vereinbarung
regeln die beteiligten Unternehmen,
dass sie sich zur gemeinsamen Führung
des Betriebs rechtlich verbunden haben,
einen einheitlichen Leitungsapparat ins-
tallieren und die Arbeitgeberfunktionen
in sozialen und personellen Angelegen-
heiten einheitlich ausüben. Innerhalb
des gemeinsamen Betriebs können die
Arbeitnehmer dann beliebig wechselsei-
tig eingesetzt werden, ohne dass es sich
um Arbeitnehmerüberlassung handelt.
Der Vorteil einer solchen Regelung ist,
dass der Gemeinschaftsbetrieb relativ
unkompliziert installiert werden kann
und die Überlassung der Arbeitnehmer
innerhalb des Gemeinschaftsbetriebs
rechtssicher ohne AÜG-Erlaubnis mög-
lich ist. Kündigungsrechtlich ist der
Gemeinschaftsbetrieb für das jeweilige
Unternehmen jedoch nachteilig, da eine
unternehmensübergreifende Weiterbe-
schäftigungspflicht sowie Sozialauswahl
besteht. Weiterhin kann sich die Bildung
eines Gemeinschaftsbetriebs auch be-
triebsverfassungsrechtlich nachteilig
für Unternehmen auswirken, da inner-
halb des Gemeinschaftsbetriebs zuvor
betriebsratslose Unternehmen künftig
regelmäßig der Mitbestimmung des Be-
triebsrats unterfallen.
Beantragung einer AÜG-Erlaubnis
In vielen Konstellationen dürfte sich
die Beantragung einer AÜG-Erlaubnis
als vorteilhafteste und einfachste Lö-
sung darstellen. Beantragen alle am
Arbeitnehmeraustausch beteiligten
Konzernunternehmen jeweils eine eige-
ne AÜG-Erlaubnis, besteht kein Risiko
der illegalen Arbeitnehmerüberlassung.
Eine derartige Erlaubnis ist in der Regel
innerhalb von sechs bis zehn Wochen
bei recht geringem Aufwand gegen eine
Gebühr von zirka 750 Euro zu erhalten.
Die Beantragung einer AÜG-Erlaubnis
bietet gegenüber Werkverträgen den
Vorteil, dass hier ein Weisungsrecht des
Einsatzbetriebs gegenüber dem einge-
setzten Mitarbeiter besteht. ImVergleich
mit der Installierung eines Gemein-
schaftsbetriebs hat die Beantragung der
AÜG-Erlaubnis den Vorteil, dass keine
erweiterte Betriebsratszuständigkeit
entsteht und bei Kündigungen keine
unternehmensübergreifende Weiterbe-
schäftigungspflicht und Sozialauswahl
greift.
Mitbestimmungsprobleme beachten
Zu beachten ist bei der konzerninternen
Überlassung, dass auch die Überlassung
von Arbeitnehmern innerhalb des Kon-
zerns gegebenenfalls eine Einstellung
des Arbeitnehmers im Einsatzbetrieb
darstellt und so der Betriebsrat des Ein-
satzbetriebs der Einstellung nach § 99
BetrVG zustimmen muss. Derzeit ist
vielfach zu beobachten, dass gewerk-
schaftsnahe Betriebsräte die Zustim-
mung mit Verweis auf die vermeintliche
Unzulässigkeit einer nicht nur vorüber-
gehenden Überlassung verweigern. In
diesem Fall sind vom jeweiligen Einsatz-
unternehmen gemäß §§ 99, 100 BetrVG
Zustimmungsersetzungsverfahren beim
zuständigen Arbeitsgericht durchzufüh-
ren, die regelmäßig für den Arbeitgeber
erfolgreich gestaltet werden können.
Konzerninterne AÜG-Gesellschaft
Viele Konzerne hatten im Nachgang
zu den zum 1. Januar 2004 erfolgten
AÜG-Änderungen aufgrund der erlaub-
nisfreien Überlassungsmöglichkeiten
konzerninterne AÜG-Gesellschaften ge-
gründet. Bei richtiger konzeptioneller
Durchführung ermöglicht dieses Vorge-
hen zeitlich unbegrenzten Verleih und
Bezahlung der Leiharbeitnehmer nach
den günstigeren Flächentarifverträgen
der Zeitarbeit. Zum 1. Dezember 2011
wurde folgender neuer Satz in § 1 AÜG
aufgenommen: „Die Überlassung von
Arbeitnehmern an Entleiher erfolgt vo-
rübergehend.“ Vor diesem Hintergrund
wird vertreten, hieraus folge ein Verbot
zeitlich unbegrenzter Arbeitnehmer-
überlassung. Auch wenn die deutlich
besseren Argumente gegen eine solche
Auslegung des Begriffs „vorübergehend“
sprechen (vergleiche dazu den Kasten
auf Seite 78), kann sich hier Handlungs-
bedarf ergeben. Zur Ausschaltung et-
waiger Risiken kommen dabei diverse
Gestaltungsansätze in Betracht, so etwa
Integrationstarifverträge und Ausgrün-
dungskonzepte, aber auch richtig gestal-
tete Werkverträge oder die Bildung eines
gemeinsamen Betriebs.
Risiken und Nutzen sind abzuwägen
Aufgrund des hohen rechtlichen Risikos
besteht für Unternehmen, die inner-
halb des Konzerns die Arbeitnehmer-
überlassung bislang noch ohne eine
AÜG-Erlaubnis praktizieren, aktueller
und dringender Handlungsbedarf. Je
nach den konkret vorliegenden recht-
lichen und tatsächlichen Gegebenheiten
sind dabei Risiken und Nutzen der be-
schriebenen arbeitgeberseitigen Ge-
staltungsmöglichkeiten stets sorgfältig
gegeneinander abzuwägen.
Wenn Unternehmen eines Konzerns eng mit-
einander kooperieren, ist es weiterhin denkbar,
einen Gemeinschaftsbetrieb zu bilden.
Rechtsanwalt und
Partner bei Beiten
Burkhardt, München
Dr. Wolfgang Lipinski
Rechtsanwältin bei
Beiten Burkhardt,
München
Anne Praß