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ARBEITNEHMERÜBERLASSUNG
freiwillige Mitwirkung gebaut werden
müsste. Das durch die konzerninterne
KooperationangestrebteZiel,Mitarbeiter
unternehmensübergreifend schnell und
unkompliziert zu überlassen, um Per-
sonalengpässe auszugleichen und Per-
sonalreserven abzusenken, ist dadurch
nur noch schwer zu erreichen. Dieses
Modell eignet sich daher allenfalls für
Konstellationen, in denen beispielsweise
aufgrund mehrerer Unternehmen im en-
gen räumlichen Umfeld und bei gleichar-
tigen Einsatztätigkeiten der Mitarbeiter
mit deren grundsätzlicher Akzeptanz
der Einsätze bei Konzernunternehmen
gerechnet werden kann. Darüber hinaus
enthält ein solches Vorgehen erhebliche
rechtliche Risiken, wenn das deutsche
Konzernprivileg insgesamt als europa-
rechtswidrig eingestuft würde.
Auf Werkverträge ausweichen?
Bei einzelnen klar abgrenzbaren Tätig-
keiten kann für Konzernunternehmen
die Entsendung von Arbeitnehmern im
Rahmen von Werkverträgen eine prakti-
kable Lösung darstellen. Erforderlich ist
hier jedoch, dass die Verträge auch in
der Praxis als Werkverträge tatsächlich
gelebt und nicht nur als solche bezeich-
net werden. Dies bedeutet beispielswei-
se, dass der Arbeitnehmer nicht generell
zur Abdeckung eines Personalbedarfs
wegen Krankheit, Schwangerschaft, El-
ternzeit, Urlaub oder Kündigung eines
anderen Mitarbeiters eingesetzt wer-
den kann. Auch der Einsatz von unter-
nehmensfremden Arbeitnehmern im
Rahmen von Werkverträgen zur Abde-
ckung von Arbeitsspitzen und zur Ver-
meidung von Überstunden der eigenen
Mitarbeiter ist nur bedingt möglich.
Durch die Vergabe von Werkverträgen
an ein anderes konzernangehöriges
Unternehmen müssen einzelne klar
abgrenzbare Aufgabenbereiche an das
Unternehmen übertragen werden. So
können beispielsweise der Einkauf oder
der Bereich Verpackung und Versand
insgesamt an ein Konzernunternehmen
vergeben werden.
Die Ausgestaltung eines Arbeitneh-
mertauschs als Werkvertrag beinhaltet
unter anderem, dass dem Einsatzun-
ternehmen kein Weisungsrecht gegen-
über den eingesetzten Arbeitnehmern
zusteht. Unter Beachtung dieser Vor-
gaben kommt die Gestaltung als Werk-
vertrag nur in wenigen Konstellationen
in Betracht. Stellt sich das tatsächlich
praktizierte Vorgehen hingegen als Ar-
beitnehmerüberlassung dar, drohen
dieselben Risiken wie bei der offen er-
laubnisfrei ausgeübten konzerninternen
Arbeitnehmerüberlassung. Zwar ist das
Risiko hier geringer einzustufen als bei
der verwandten Thematik Scheinselbst-
ständigkeit durch Werkverträge, da So-
zialabgaben und Löhne bereits durch
ein anderes Konzernunternehmen ab-
gedeckt sind, das Risiko sollte jedoch
gleichwohl nicht unterschätzt werden.
Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs
Bei eng kooperierenden Unternehmen
eines Konzerns ist weiterhin die Bildung
eines Gemeinschaftsbetriebs denkbar.
Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb kann
relativ einfachdurchdenAbschluss einer
MEINUNG
Das „vorübergehend“ ignorieren
Im Neutext des § 1 AÜG wird die Arbeitnehmerüberlassung ausdrücklich als
„vorübergehend“ gekennzeichnet. Muss die Praxis darauf mit Änderungen in
Überlassungsverträgen reagieren? Nein, meint ein bekannter Arbeitsrechtler.
Um den Begriff „vorübergehend“ zu verstehen,
hilft eine Anwendung der bekannten Auslegungs-
methoden. Zunächst fällt auf, dass die Formulie-
rung gerade nicht im Imperativ erfolgt ist, sondern
nur die tatsächlichen Gegebenheiten wiederholen
möchte. Die Norm beschreibt damit nur rein
typologisch den Regelfall, etwas „Normales“, gibt
aber keine rechtlich verbindlichen Wertungen und
Folgen an. Es gibt keine Höchstüberlassung vor und
jeder Anhaltspunkt, sie hineinzulesen, fehlt. Ja:
Selbst die dauerhafte, eben nicht vorübergehende
Überlassung ist nicht verboten – ein solches Verdikt
dem Gesetzgeber als stillschweigend gewollt zu
unterstellen, widerspricht schon der Richtlinie, die
für Verbote der Leiharbeit ausdrückliche Rege-
lungen enthält. Wenn er sie generell ausschließen
wollte, hätte er es auch gesagt. Aber auch das Hi-
neinlesen des Erfordernis eines sachlichen Grunds für die Befristung als weiterer Ansatz
der Begrenzung ist abzulehnen. Zum einen widerspricht dies der rein temporalen Be-
deutung des Worts „vorübergehend“. Es muss zudem allein die konkrete Überlassung in
den Blick genommen werden – ist diese nicht dauerhaft, so ist sie eben vorübergehend.
Auch für ein teilweise gefordertes Verbot des Ersatzes eines Dauerarbeitsplatzes durch
Leiharbeitnehmer gibt das Gesetz nichts her. Die bestehende Rechtsprechungslinie bleibt
damit richtig. Ein „weiter wie bisher“ bei der Auslegung ist hier allemal besser und führt
zu höherer Rechtssicherheit als das ständige Vorbringen neuer Auslegungsvorschläge.
Prof. Dr. Gregor Thüsing
Direktor am Institut für
Arbeitsrecht und Recht der
sozialen Sicherheit, Uni Bonn