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BURNOUT
personalmagazin 03 / 12
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
So fordert zum Beispiel der IG-Metall-
Vorsitzende Berthold Huber die Umset-
zung einer Anti-Stress-Verordnung mit
konkreten Leistungs- und Beteiligungs-
ansprüchen von Arbeitnehmern und Be-
triebsräten. Besonders soll ein Anspruch
auf Gefährdungsbeurteilung jedes Ar-
beitsplatzes im Hinblick auf psychische
Gefährdungen bestehen. Ein solcher An-
spruch lässt sich derzeit nur bei der Be-
urteilung von Bildschirmarbeitsplätzen
herleiten (§ 3 BildscharbV). Im Übrigen
sind psychische Belastungen als Gefähr-
dungsfaktor anerkannt, einen Anspruch
auf ausschließliche Beurteilung jedes
einzelnen Arbeitsplatzes in dieser Hin-
sicht gibt es nicht.
Beim Arbeitsschutz mitbestimmen
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebs-
rats beim betrieblichen Arbeitsschutz
sind vielfältig. Neben der bekannten
zwingenden Mitbestimmung nach § 87
Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sind auch weitere
Beteiligungsrechte nach §§ 89 und 90
BetrVG nicht außer Acht zu lassen. Bei-
spielsweise finden die für Arbeitgeber
unliebsamen Betriebsbesichtigungen
ihre Grundlage in § 89 BetrVG.
Abhängig von den Maßnahmen des
Arbeitgebers, die dem betrieblichen
Arbeitsschutz und der Vermeidung von
Burnout dienlich sind, können darüber
hinausgehende Mitbestimmungsrechte
bis hin zur Durchführung eines Interes-
senausgleichs berührt sein. In einigen
Unternehmen werden bereits heute,
teils als Folge von Gefährdungsbeurtei-
lungen, teils auch rein präventiv auf Ba-
sis der Mitbestimmung nach § 87 Abs.
1 Nr. 2 und 3 BetrVG, Arbeitszeitsys-
teme neu verhandelt. Das Augenmerk
DEFINITION
Betriebsräte haben nach § 80 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch darauf, dass ihnen Sachver-
ständige zur Verfügung stehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufga-
ben erforderlich ist. Sachverständige sind Personen, die dem Betriebsrat die fehlenden
fachlichen oder rechtlichen Kenntnisse vermitteln.
Weil die Einflussfaktoren von Burnout-Erkrankungen unklar sind, ist grundsätzlich eine
fehlende Sachkunde des Betriebsrats anzunehmen. Schulungen für Betriebsräte können
kein medizinisches Fachwissen vermitteln, das den Betriebsrat in die Lage versetzt,
relevante Kriterien für die Arbeitsplatzbeurteilung hinsichtlich einer Burnout-Erkrankung
festzulegen. Dies macht – soweit der betriebliche Arbeitsschutzausschuss die Aufgaben
nicht final erarbeiten kann – den Einsatz eines Sachverständigen aufseiten des Betriebs-
rats erforderlich. Als externer Sachverständiger kommt in der Regel nur ein arbeitsme-
dizinischer Sachverständiger in Betracht. Der Arbeitgeber kann Sachverständige ohne
diese Qualifikation ablehnen, indem er die Kostenübernahme verweigert. Der Betriebsrat
hat in diesen Fällen sein Ermessen bei der Bestimmung eines Sachverständigen nicht
zutreffend ausgeübt, sodass eine erneute Beschlussfassung oder eine gerichtliche Ausei-
nandersetzung über die Kostentragung erfolgt.
Der Werksarzt oder Angehörige der Betriebskrankenkasse sind keine Sachverständigen
im Sinne dieser Regelung. Sie sind sachkundige Arbeitnehmer (§ 80 Abs. 2 Satz 2
BetrVG) und können dem Betriebsrat auch Sachkunde vermitteln. Die Gestellung eines
sachkundigen Arbeitnehmers kann im Ergebnis den Einsatz eines externen Sachverstän-
digen ausschließen und weitere Kosten vermeiden. Schließlich können dem Betriebsrat
die Fachkenntnisse durch Betriebs- oder Unternehmensangehörige vermittelt werden.
Sachverständige oder sachkundige Arbeitnehmer einsetzen
der Betriebsräte liegt dabei darauf, die
Vertrauensarbeitszeit durch Flex- oder
Gleitzeitregelungen wieder abzulösen.
Gefährdungen beurteilen
Das BAG (Az. 1 ABR 13/03 und Az. 9 AZR
1117/06) stellte klar, dass das ArbSchG
nur die Rahmenbedingungen vorgibt und
dem Betriebsrat speziell bei der Gefähr-
dungsbeurteilung ein Mitbestimmungs-
recht zusteht. Dem Arbeitgeber droht
damit ein Ordnungsverfahren nach § 23
Abs. 3 BetrVG, wenn er für die zwingend
durchzuführenden Gefährdungsbeurtei-
lungen die Kriterien selbst aufstellt und
den Betriebsrat nicht beteiligt.
Bedeutsam ist, dass der Betriebsrat
ein Initiativrecht hat. Dadurch kann er
notfalls eine Vereinbarung bei der Eini-
gungsstelle durchsetzen, ohne dass eine
Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers
vorausgesetztwird.DerArbeitgeberkann
damit zu Gefährdungsbeurteilungen
grundsätzlich gezwungen werden. Die
Einschränkungen des Arbeitsschutzge-
setzes, dass gleichartige Arbeitsplätze
oder gleichartige Tätigkeiten keine ge-
sonderte Beurteilung benötigen, wird
aber dem Betriebsrat entgegengehalten
werden können. Ansonsten gilt, dass vor
der Aufnahme von Verhandlungen das
Gespräch mit dem Betriebsrat gesucht
werden sollte, um zu bestimmen, was
der Betriebsrat bezweckt.
Kriterien mit Betriebsrat aushandeln
Regelmäßig gestaltet es sich schwie-
rig, das mit einer Tätigkeit verbundene
Burnout-Risiko auf Grundlage eines mit
dem Betriebsrat verhandelten Kriterien-
katalogs zu beurteilen und erforderliche
Schutzmaßnahmen zu bestimmen, da
arbeitsmedizinisch gesicherte Erkennt-
nisse und einheitliche Kriterien nicht
vorhanden sind. Handlungshilfen zur
Analyse psychischer Belastungen bietet
etwa die Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin
Einige Betriebsräte versuchen Kri-
terien für Gefährdungsbeurteilungen
durch Umfragen in der Belegschaft zu