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BURNOUT
TITEL
03 / 12 personalmagazin
Gemeinsam gegen höhere Kosten
TREND. Zulage, Seminare, Gefährdungsbeurteilung – Betriebsräte befassen sich
immer öfter mit dem Thema Burnout. Darauf müssen Arbeitgeber reagieren.
wahrnehmen. Nach einem Grundsatz-
urteil des Arbeitsgerichts Essen (Az.
3 BV 29/11) gibt es für Arbeitgeber
kaum noch Argumente, die Schulungen
als nicht erforderlich zu deklarieren
(§ 37 Abs. 6 BetrVG). In dem zugrunde
liegenden Fall war ein externer Dienst-
leister mit der telefonischen Beratung
und Unterstützung der Mitarbeiter
beauftragt und zudem bereits ein Mit-
glied des Betriebsrats geschult worden.
Das Arbeitsgericht hielt eine Schulung
eines anderen Betriebsratsmitglieds
dennoch für erforderlich, da Burnout in
mehrfacher Hinsicht ein Thema für die
Betriebratstätigkeit sei. Bereits aus dem
Mitbestimmungstatbestand des § 87
Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei abzuleiten, dass
eine Schulung erforderlich ist, da Burn-
out eine relevante Gefährdungslage für
die im Betrieb beschäftigten Arbeitneh-
mer darstelle. Dabei stellt das Gericht
auch heraus, dass eine Zuständigkeit
des örtlichen Betriebsrats vorliegt. Die-
ser muss Gesundheitsgefährdungen in
seinem Betrieb erkennen und auf Abhil-
fe drängen. Der Gesamtbetriebsrat ist
damit zugleich nicht zuständig.
Soweit der Arbeitgeber die Führungs-
kräfte und Mitarbeiter zum Thema
Burnout schult, machen Betriebsräte
vereinzelt Mitbestimmungsrechte gel-
tend. Zwar handelt es sich dabei nicht
um Schulungen im Sinne der Berufsbil-
dung nach §§ 96 ff. BetrVG. Dennoch sind
sie wohl nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
mitbestimmungspflichtig, weil sie eine
Ausprägung organisatorischer Arbeitge-
bermaßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 2
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sind.
Neue Anti-Stress-Regeln gefordert
ZusätzlicheAusgabendrohenauch imBe-
reich des betrieblichen Arbeitsschutzes.
Von
Jörn Kuhn
I
n vielen Unternehmen sind psy-
chische Erkrankungen am Arbeits-
platz, und damit auch Burnout, seit
mehreren Jahren auf der Agenda der
Personalabteilung – nicht zuletzt wegen
der hohen Kosten für Arbeitsausfälle.
Dabei drohen in diesem Zusammenhang
bald zusätzliche Ausgaben.
So vertreten einige Gewerkschafter die
Ansicht, dass Zulagen, die bereits jetzt
einzelne Tarifverträge bei Belastungen
der Sinne und Nerven vorsehen (etwa
§ 13 Nr. 2 b Entgeltrahmenabkommen
Küste der Metall- und Elektroindustrie),
auch für alle Mitarbeiter auf Burnout-
gefährdeten Arbeitsplätzen zu zahlen
sind. Zwar zielen solche Privilegien
primär auf den Ausgleich besonderer
psychischer Belastungen ab, beispiels-
weise einer starken Konzentration beim
Sehen, etwa an einem Prüfarbeitsplatz,
bei dem ein Mitarbeiter mit zusätz-
lichen technischen Hilfsgegenständen
eine Sichtprüfung von Lötpunkten auf
Leiterplatten vornimmt. Dass jedwede
arbeitsplatzbezogene psychische Bela-
stung eine solche Zulage rechtfertigt, ist
indes infrage zu stellen. Eine solche Aus-
legung entspricht nicht dem Zweck der
tariflichen Regel. Vielmehr soll das The-
ma Burnout als Vehikel benutzt werden,
um bestehende tarifliche Privilegien
auszudehnen und auszureizen.
Betriebsräte besuchen häufig Schulung
Zusätzliche Kosten verursacht auch der
Trend, dass Betriebsräte in großem Um-
fang Schulungen zum Thema Burnout
GRUNDLAGE
Nach § 5 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung der
betrieblichen Arbeitsplätze durchzuführen. Nach einer Definition des Bundesverbands der
Deutschen Arbeitgeberverbände ist eine Gefährdungsbeurteilung die systematische Un-
tersuchung zur Feststellung von Gefährdungen sowie der Bedingungen, unter denen sie
wirksam werden, und die Schlussfolgerung entsprechender Maßnahmen am jeweiligen
Arbeitsplatz. Eine allgemeingültige Beschreibung gibt es nicht. In der Regel sollte sie
nach tätigkeits-, arbeitsbereichs- und personenbezogenen Merkmalen unter Berücksich-
tigung anerkannter Gefährdungsfaktoren strukturiert sein. Psychische Belastungen sind
als abstrakter Gefährdungsfaktor anerkannt, spielten bislang aber eine untergeordnete
Rolle. Die Gefährdungsbeurteilung selbst erfolgt zumeist nicht für konkrete Arbeitsplätze,
sondern für Arbeitsbereiche.
Gefährdungsbeurteilungen richtig durchführen